Hontanas → Boadilla del Camino
→ 29,7 Kilometer
↑ 80 Meter
Mittwoch, 14.05.2008
Es ist so gegen 8 Uhr, als ich das erste Mal einigermaßen repräsentativ feststellen kann, dass ich noch lebe und das sogar ganz gut. Außenstehende hätten das sicherlich etwas anders beurteilt, da ich immerhin in Sandalen UND Socken unterwegs bin, aber leider ließen mir meine immer noch feuchten Schuhe keine andere Wahl.
Immerhin ist das Wetter wieder etwas freundlicher, wenn auch ziemlich kalt.
In solchen Momenten empfindet man seinen Wanderführer immer als etwas zynisch, wenn man darin ließt, dass man die Mittagshitze meiden sollte, weil es auf dieser Strecke nur wenig Schatten gäbe.
Aber auch die Information, dass die Landschaft nun „NOCH endloser, weiter und flacher“ wird, hat durchaus etwas Sarkastisches.
Castrojeritz heißt der Ort, in dem es heute mein Frühstück geben soll. Das haben sich auch noch ein paar andere Pilger gesagt, die nun vor einem Café neben der Kirche im Garten pausieren (→ SV).
Nach einiger Zeit sitze ich nur noch mit einem deutschen Mann um die 40 und einer ca. 30-jährigen Kölnerin da. Er hat bereits beschlossen, hier für heute Schluss zu machen und sich ein Zimmer reserviert. Sie ist noch am Zögern, obwohl ihre hühnereigroßen Blasen an den Fersen eine recht deutliche Sprache sprechen. Ich helfe ihr bei der Versorgung dieser monströsen Quälgeister.
Zwischendurch taucht eine Horde Japaner auf, die klischeeerfüllend alles fotografiert, was mit bloßem Auge zu erkennen ist. Auch uns fragen sie, ob sie uns ablichten dürfen. Wir lassen es über uns ergehen.
Die Kölnerin ist sehr sympathisch. Von daher würde ich mich freuen, wenn sie sich noch über ihr Handicap hinwegsetzen würde. Aber leider geht sie letztendlich auf den Vorschlag ein, sich das Zimmer hier mit dem anderen Pilger zu teilen. Also ziehe ich wieder allein weiter.
Unterwegs begegne ich immer wieder dem internationalen Trio vom letzten Pilgermenü. Außerdem droht eine deutsche Schulklasse aufzuholen, die hier auf einem Teil des Caminos offenbar ihre Klassenreise verbringt. Tolle Idee – aber nicht aus meiner Sicht, also sehe ich zu, dass ich Abstand gewinne.
Die Meseta zeigt sich von ihrer monotonen Seite, für die sie so bekannt ist. Aber genau das hat auch durchaus seine Reize.
Als es wieder mal zu regnen anfängt, sehe ich mich gezwungen, wieder in meine noch klammen Stiefel zu steigen. Zum Glück hält der Regen aber nicht all zu lange an, und das Wetter wird sogar noch sehr schön – wenn man vom recht starken Gegenwind mal absieht.
Nach rund 30 Kilometern ist mein heutiges Ziel erreicht, und im Gegensatz zum Vortag habe ich noch gar keine Ermüdungserscheinungen. Eine volle Herberge hätte ich also dieses Mal recht gelassen genommen. Aber gleich am Anfang dieses ziemlich kleinen Ortes steht vor einer Herberge ein Aufsteller mit der ungewohnten Aufschrift: „No Full“.
Trotzdem ziehe ich erst mal weiter zur städtischen Herberge im Ortskern, die in meinem Wanderführer hochgelobt wird. Dort angekommen sitzt davor wieder das internationale Trio. Sie erzählen mir, dass hier wieder alles voll sei, aber man gerade klären würde, ob da nicht doch noch etwas ginge. Es geht: auf dem Fußboden und/oder auf den Tischen in der Bar. Das Trio bleibt, ich gehe – zurück zum Ortseingang.
Der etwas kauzige Herbergsvater mit Spiegelbrille und Baskenmütze, ca. in meinem Alter, notiert im Garten seiner Unterkunft meine Personalien und klärt mich über die hiesigen Regularien auf.
Unterm Strich kommt rüber, dass er Touristen hassen würde, und hier alles streng nach den ursprünglichen Pilgertugenden vorgeht. Will sagen: Ruhe, kein Aufstehen vor 7:00 Uhr sowie gemeinsames Kochen und Essen. Aufgrund seines starken Akzentes verstehe ich davon zunächst allerdings nur die Hälfte. So bin ich mir vorerst nicht ganz sicher, ob man nur die MÖGLICHKEIT zum Kochen hat oder ob dies offiziell vollzogen würde. Was ich verstehe, sind diverse Uhrzeiten. Von daher irritiert es mich umso mehr, als er mich darauf hinweist, dass ein Pilger keine Uhr benötigen würde. Außerdem ist er davon überzeugt, dass man auf dem Camino der spanischen Sprache mächtig sein müsse. Na denn…
Der Schlafraum ist großartig! Acht komfortable Etagenbetten in einem modern Raum und nicht minder gepflegte sanitäre Anlagen.
Es stellt sich heraus, dass offiziell gemeinsam gekocht wird. Wir sind acht Leute unterschiedlichsten Alters und Herkunft, und keiner kann englisch oder deutsch. Aber es funktioniert irgendwie und ist sehr nett.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)