Mont Roland → Saint-Nicolas-lès-Cîteaux
→ 39 Kilometer
↑ 191 Meter
Dienstag, der 31.07.2012
Das Kloster schlägt gerade zur neunten Stunde, als ich das Hotel hinter mir lasse. Mein Hals ist zwar noch etwas belegt, aber die Nachricht war recht erholsam, und auch ansonsten scheine ich die Erkältung überwunden zu haben. Weil ich ja immer gern erst einmal losziehe und dann unterwegs einkehre, habe ich die Möglichkeit, im Hotel zu frühstücken, nicht wahrgenommen. Und da demnächst ein größerer Ort folgen soll, steht die Chance, zeitnah etwas zu bekommen, ganz gut. Tatsächlich stoße ich bei einem Abstecher in den Ortskern auf eine Bäckerei, so wie auf einen Zettel, an deren Tür, auf dem steht, dass dieser Laden seit gestern erstmal geschlossen hat!
Dann wird das heute wohl ein sehr schoko-croissant- und müsliriegellastiger Tag!
Aber vor allem die Auswahl an Unterkünften sieht heute mehr als spartanisch aus! Genau genommen habe ich heute nicht mal eine theoretische Idee, wo ich unterkommen könnte. Die einzigen bekannten Unterkünfte befinden sich bereits in wenigen Kilometern und sind damit natürlich indiskutabel.
Irgendwann komme ich an einen relativ schön gelegenen See, an dem ich mein spartanisches und vor allem kaffeefreies Frühstück zu mir nehme. Die Idylle wird nur von der in Hörweite gelegenen Autobahn eingetrübt. Als ich weiter ziehe, kann von hörweite sehr schnell keine mehr die Rede sein: Ich laufe eine ganze Zeit direkt am Standstreifen dieser stark befahrenen Trasse.
Zum Glück tauscht die Route irgendwann die Autobahn gegen einen Fluss als Wegbegleiter. In regelmäßigen Abständen komme ich immer wieder an Leuten vorbei, die hier mit ihrem Boot festgemacht haben, um auf der Wiese daneben zu picknicken. Nach einiger Zeit fragt mich eine dieser Gruppen zunächst auf Französisch dann auf Englisch, ob ich etwas zu trinken haben möchte. Wasser ist zwar das so ziemlich einzige, an dem es mir gerade nicht mangelt, aber allein der Chance auf eine Begegnung wegen, nehme ich das Angebot dankend an und setzte mich zu der kleinen Runde. Und zu meiner Überraschung handelt es sich bei dem angebotenen Getränk um einen Rosé!
Aus der Gruppe, die aus 3 älteren Männern und 3 Frauen besteht, spricht nur eine der Damen etwas Englisch. Dementsprechend übersetzt sie die sehr interessierten Fragen einer anderen Dame zu meinem Camino sowie meine Antworten.
Irgendwann fragen sie mich dann, ob ich auch mit ihnen essen wolle. Da ich inzwischen gelernt habe, dass solche Fragen nicht der Höflichkeit wegen gestellt werden, sondern ehrlich gemeint sind. Und da es für mich heute ein ziemlicher Luxus wäre, ein solches Angebot auszuschlagen, nehme ich es dankend an.
Es folgen Kartoffelsalat, Hähnchen, Brote, Käse und vieles mehr. Außerdem wird mein Rosé immer wieder aufgefüllt.
Als dann die nächste Runde mit Obst eingeläutet wird, ist es für mich aber dann doch langsam mal wieder an der Zeit, weiterzuziehen.
Ein paar Kilometer weiter erreiche ich Saint-Jean-de-Losne. Hier stehen die Chancen, endlich mal wieder gut, ein paar Lebensmittel zu bekommen. Außerdem gibt es hier ein Office de Tourisme. Die Dame, der ich dort mein Anliegen vortrage, ist aber deutlich reservierter als ich es bis hierhin gewohnt war. Trotzdem findet sie für mich heraus, dass es da in ca. 15 km jemanden gibt, der Wohnwagen für Pilger anbietet. Leider erreicht sie unter der angegebenen Telefonnummer aktuell niemanden. Alternativ gäbe es hier in der Stadt noch zwei Hotels mit freien Zimmern zu entsprechenden Konditionen.
Wir verbleiben so, dass ich in Ruhe einen Kaffee trinken gehe, und wir es später noch einmal versuchen.
Nach einiger Suche finde ich ein gemütliches Café am Fluss, wo ich einen petit Café au Lait trinke.
Als ich wieder ins Office zurückkehre, nimmt sich dieses Mal die andere Dame meiner an. Sie hat schon deutlich mehr den Charme ihrer elsässischen Kollegen. Aber vor allem erreicht sie den Kontakt meiner möglichen Herberge. Als sie auflegt, berichtet sie mir, dass ich dort heute ohne Probleme unterkommen kann. Darüber hinaus sichert sie mir auch noch die Unterkunft für die darauffolgende Nacht.
Bevor ich weiterziehe, decke ich mich noch mit den dringend notwendigen Utensilien im nahegelegenen Casino ein.
Der weitere Weg führt erst einmal nur gerade am Kanal entlang. Inzwischen ist es bereits 16:40 Uhr und ich habe noch gute 15 km vor mir. Außerdem ist es immer noch ganz schön warm!
Ich bin gerade dabei ein Foto von einem alten, eisernen Tor im dramatischen Gegenlicht zu machen, da höre ich ein auf dem Camino eher ungewöhnliches Geräusch: das Klingeln meines Handys!
Es ist die Gastgeberin meiner Unterkunft für morgen. Das Office de Tourisme hatte ihr meine Nummer gegeben. Sie fragt mich in akzentfreiem Deutsch, ob ich alle nötigen Informationen habe.
Ich kann ihr das bestätigen, da die Dame aus dem Office mir bereits alles in Form eines Post-its in meinen Wanderführer geklebt hatte.
Dabei fällt mir erstmals auf, dass sich das Gebäude in der Straße des 18. Dezembers befindet! Das kann ja nur gut sein!
Sie verrät mir noch, wo sich der Schlüssel befindet, bietet mir aber auch an, dass sie mich auch irgendwo einsammeln könne.
Ich versichere ihr, dass das nicht nötig sei.
Nach mitunter sehr schattenfreien 38 km erreiche ich endlich meinen Zielort. Die Herberge liegt wiederum am Ortsausgang (→ SV).
Ich durchschreite zunächst eine alte Scheune, in der sich 5 Wohnwagen befinden und betrete dann einen weiteren Teil des Gebäudes, in dem sich die sanitären Anlagen und die Küche befinden.
An 2 Rucksäcken, die in der Küche stehen, erkenne ich, dass ich offenbar nicht alleine hier bin. Und tatsächlich betritt nur kurze Zeit später eine Frau um die Mitte 50 den Raum. Sie heißt Renate, ist Deutsche und hier für heute mit ihrer Freundin Nadja untergekommen.
Sie übernimmt ein wenig die Rolle des Gastgebers und bietet mir zunächst ein Tonicwater an, das ich gern annehme.
Da ich den Beiden offenbar bereits angekündigt wurde, hatten sie noch mit der Zubereitung des Abendessens auf mich gewartet.
Nach einer kurzen Dusche essen wir draußen auf der Terrasse einen bunten Mix aus Sardinen und Ravioli. Außerdem gibt es aus dem Angebot der Unterkunft eine Flasche Wein. Die bereitgestellten Vorräte kann man zum Selbstkostenpreis erwerben. Die Unterkunft ist auf Spendenbasis.
Später verbringen wir noch eine Zeit lang im Aufenthaltsraum und ziehen uns anschließend in unsere Wohnwagen zurück. Diese verfügen weder über Strom noch Licht. Dementsprechend leistet die Taschenlampe meines Handys gute Dienste!
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)