San Sebastián → Zumaia
→ 34,7 Kilometer
↑ 310 Meter
Dienstag, der 23.06.2009
So gegen 8:00 Uhr starte ich in meinen ersten richtigen Caminotag. Zuvor hatte ich noch das von der Herberge angebotene Frühstück genutzt. Dieses bestand aber leider – wie immer in Südeuropa – eher aus süßen Utensilien.
Ich kann nicht leugnen, dass mich bei diesem Aufbruch schon fast so etwas wie ein Routinegefühl begleitet. Die zahlreichen Wegweiser, die sich hier auf hölzernen „Monolithen“ befinden, tragen ebenfalls dazu bei, dass man sich hier schnell „zu Hause“ fühlt. Das einzig Ungewöhnliche ist die stete Nähe zum Meer und mein fehlender Pilgerstab. Naja, so kann ich ihn wenigsten nicht mehr in jeder zweiten Herberge oder im Café vergessen.
Es ist keine Wolke am Himmel, aber auch kein Pilger auf dem Weg. Die einzigen Menschen, denen man hier unterwegs begegnet, sind „normale“ Wanderer, die man daran erkennt, dass sie nur kleine Rucksäcke tragen und/oder einem entgegen kommen.
Umso mehr freue ich mich, als trotzdem irgendwann von einem solchen Trupp ein altvertrautes „Buen Camino“ kommt.
Nun fehlt also nur noch der erste Café con leche. Aber der wird wohl noch ein wenig auf sich warten lassen.
Irgendwann komme ich mitten im Nirgendwo an zwei Radfahren – eventuell sogar Radpilgern – vorbei, die mich bereits kurz hinter San Sebastián hinter sich gelassen hatten.
Es sind ein Mann und eine Frau, die hier wieder mal aufgrund der Steigung schieben müssen, und sie sind vermutlich deswegen über den Vormittag nicht wirklich schneller unterwegs als ich. Dieselbe Erkenntnis haben die beiden offenbar auch, denn sie müssen ebenfalls grinsen, als ich an ihnen vorbeiziehe.
Noch vor dem Erreichen des ersten größeren Ortes Orio, mache ich eine kleine Pause in einem Waldstück und bastele mir mein erstes Bocadillo.
Kurze Zeit später komme ich in Orio an und suche dort ein kleines Café direkt an einer Brücke am Fluss auf. Zeit für meinen ersten Café con leche!
Über die besagte Brücke verlasse ich den Ort wieder. Direkt dahinter passiere ich ein Straßenhinweisschild, auf dem die Entfernung nach Bilbao angegeben ist: 100 km – sozusagen also mein „100-Km-Stein“ zu meinem ursprünglichen Startort.
Nach einer ganzen Weile überhole ich die ersten Pilger: Einen jüngeren Spanier und einen älteren Italiener. Kurz darauf holen die beiden mich wieder ein, da ich gerade dabei bin, mich davon zu überzeugen, ob es eventuell sinnvoll ist, einem alternativ beschriebenen Weg aus meinem Wanderführer zu folgen.
Ich entscheide mich für den neuen Weg und somit gegen die unübersehbaren Pfeile, worauf hin die beiden versuchen, mich auf meinen scheinbaren Irrtum hinzuweisen. Da sie weder englisch noch deutsch können, folgt eine pantomimenähnliche Konversation, um sie davon zu überzeugen, dass dies seine Richtigkeit hat. Dies gelingt mir letztendlich so gut, dass sie sich mir anschließen.
Und es lohnt sich! Denn anstatt von nun an der recht befahrenen Landstraße zu folgen, genießen wir von einer hochgelegen, weitläufigen Wiese aus ein großartiges Küsten-Panorama und treffen auf einem schmalen Pfad in das am Strand gelegene Zarautz ein.
Für die beiden Herren ist hier für heute bereits Endstation – für mich noch nicht.
Da es erst kurz nach drei Uhr ist, und die Geschäfte somit noch alle geschlossen sind, habe ich keine Gelegenheit, meinen Wasservorrat aufzufüllen. Also verlasse ich mich auf den Camino und ziehe weiter. Zu Recht: Nach einem ziemlich steilen Aufstieg in der stattlichen Frühnachmittagshitze, erreiche ich einen kleinen, einsamen Hof, bei dem sich an einer Wand ein Wasserhahn befindet – neben ihm ein Schild mit einem Trinkglas.
Wie schon im letzten Jahr sind es auch dieses Mal wieder die Euphorie des ersten Tages, das Wetter und die Landschaft, die mich gleich am Anfang eine recht ordentliche Distanz ohne größere Probleme zurück legen lassen. Trotzdem könnte ich so langsam mein Ziel mal erreichen…
Überhaupt hat mich bereits jetzt mein Zeitgefühl schon so verlassen, dass es mir vorkommt, als sei ich bereits seit Tagen unterwegs.
Dann endlich taucht vor mir in einer Bucht Zumaia auf, mein erstes Etappenziel.
Als ich bei meiner Suche nach einer Herberge fast einmal quer durch diese kleine Hafenstadt durch bin, spricht mich eine junge Frau auf Spanisch an. Ich verstehe, dass sich mich fragt, ob ich die Herberge suchen würde. Als ich dies bestätige, erklärt sie mir den Weg. Natürlich ebenfalls auf Spanisch.
Alles was ich mitkomme ist, dass ich ein kurzes Stück zurück (und um das Gebäude herum, das ich zunächst für die Herberge hielt) zum Ortsausgang soll. Dabei lasse ich mich zunächst nicht davon beirren, dass auf dem Boden gelbe Pfeile mit der Anmerkung Albergue in die Richtung zeigen, in die ich soeben noch lief. Aber als nach einer ziemlich heftigen Treppe nur noch eine Kirche mit einem Friedhof kommt, beschließe ich, doch noch mal zurückzukehren. Ich treffe wieder auf diese Frau, die mir nach meinem Hinweis auf die Wegweiser sagt, dass diese Herberge geschlossen sei, und ich den Ort noch ein ganzes Ende verlassen müsse. All das „lese“ ich nur aus Gestik, Betonung und Wortverwandtschaft, denn Spanisch verstehe nach wie vor fast kein Wort.
Und tatsächlich habe ich den Ort bereits schon ein ganzes Ende hinter und vor allem UNTER mir, da komme ich bei einem Gebäude an, dass zumindest eine Herberge sein könnte. Allerdings steht nirgends ein Hinweis. Aber der Mann, den ich vor dem Haus treffe, bestätigt mir, dies sei eine Herberge. Ich solle auf eine Frau warten, die gerade noch in der Stadt ist, und die das hier wohl verwaltet.
Als diese kommt, lässt sie mich zunächst nur wissen, dass alles voll sei.
– Womit? Mit Pilgern? Wo kommen die denn her?
Danach beginnt sie in einem kleinen Heft zu blättern und offenbar eine Unterkunft nach der anderen anzurufen. Beim vierten Versuch scheint sie (bzw. ich) Glück zu haben.
Sie bittet mich, mit dem Mann im Auto zurück in den Ort zu fahren, dort würde ich erwartet. Eigentlich ist fahren ja tabu. Aber da ich zurück fahre, und ich diesen Weg jetzt eh schon mehrfach gelaufen bin, geht das in Ordnung. Vor allem wüsste ich jetzt auch nicht, wo ich hin müsste.
Kurze Zeit später nimmt mich an einer Kreuzung eine dort bereits wartende, ältere Dame in Empfang und führt mich in ein nahe gelegenes Apartment in dem ich für 20,- € mein eigenes Zimmer bekomme (→ SV).
Allein bin ich allerdings auch hier nicht: Im Wohnzimmer sitzt ein anderer Pilger und isst sein Abendessen während er fernsieht. Er spricht kein Wort englisch oder deutsch.
Ich lasse mich häuslich nieder und mache mich dann auf die Suche nach meinem ersten Pilgermenü. Dieses Unterfangen erweist sich schnell als unmöglich. Es gibt fast nur Bars die lediglich Kleinigkeiten anbieten. Also lande ich in einer Pizzeria in der es eine sehr gute Pizza und ein in Eis gehülltes Bier gibt.
Das ich in meinem Zimmer für heute ja keine Ohropax benötige, erweist sich leider schnell als Irrtum! Irgendwo in der unmittelbaren Nähe gibt eine Metall-Band einige ihrer Werke zum Besten, und erst so gegen 2:00 Uhr schlägt der Drummer zum großen Finale.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)