Camino del Norte (Tag 15)

 

Colombres → Llanes


 → 24,9 Kilometer
↑ 149 Meter

Montag, der 06.07.2009

 

einsame Küste
einsame Küste

Als ich die Halle gegen 9 verlasse, hat sich der sintflutartige Regen gelegt. Jetzt regnet es nur noch ganz normal. Willkommen zurück bei den altgewohnten Camino-Grundlagen!
Dieses vertraute Szenario wird ziemlich bald von einem zweiten immer mal wiederkehrenden Camino-Ritual begleitet. Auch dies gehört halt zur Standard-Edition „Pilgern durch Spanien“ dazu, wenngleich sicher niemand aufmerken würde, wenn es einfach mal aus dem Programm genommen würde: Laufen auf dem Seitenstreifen einer autobahngleichen Landstraße. Bei starker Gischt ein ganz besonderer Leckerbissen. Apropos Bissen: Als ich am Ende dieser Traumstrecke an eine Art Trucker-Bar komme, ist es Zeit fürs Frühstück. Ich wähle zwei fertige Bocadillos mit Tortilla. Einmal mit Wurst und einmal mit Kartoffeln. Naja, und natürlich den unumgänglichen Café con leche.
Die Nachrichten im Fernsehen scheinen seit mindesten einem Jahr ihren Wetterbericht nicht erneuert zu haben. Die Karte ist die gleiche wie im Mai 2008: Ganz Spanien ist eine Sonne nur an der Oberkante hängen die Wolken fest. Nein, stimmt nicht! Über Santiago ist ebenfalls eine Sonne zu sehen. Nun werde ich dort aber nach meinen letzten Berechnungen heute nicht mehr ankommen. Trotzdem ist es trocken, als ich aus der Bar trete. Ich verlasse die Landstraße gleich schräg gegenüber auf einen Sandweg ins Grüne. Die Luft ist feucht und mit Eukalyptusduft erfüllt.
Gerade als ich in meinem Wanderführer lese, dass die alternative Strecke direkt an der Küste entlang über 8 km keinerlei Einkehrmöglichkeiten hat, komme ich wie selbstverständlich noch mal an einem Brunnen vorbei. Ich fülle meine Wasserflasche und verlasse die ursprüngliche Route, die hier wieder konsequent der Fernstraße folgt.
Die Route an der Küste entlang ist in jeder Beziehung ruhig. Ich begegne so gut wie keinem Menschen, und die Landschaft ist schön aber unspektakulär. Hier und da kommt man direkt ans Wasser.
An der Stelle, an der die Alternative wieder auf den regulären Weg trifft, befinde ich mich oberhalb einer Steilküste und es gibt einen natürlich exponieren Aussichtspunkt, von dem aus man nicht nur menschenleere Buchten, sondern auch bereits die heutige Zielstadt Llanes sehen kann.

Llanes in Sichtweite
Llanes in Sichtweite

Das ändert allerdings nichts daran, dass man über den recht hoch gelegenen sogenannten Panorama-Weg noch ein scheinbar nicht enden wollendes Stück zu laufen hat. Ich gewinne fast den Eindruck, ich laufe inzwischen an Llanes vorbei. Außerdem verliere ich kein bisschen an Höhe – im Gegenteil, und mein Ziel ist eine Hafenstadt, liegt also auf Meeresspiegelhöhe…
Dementsprechend wird dieses Höhendefizit mal wieder binnen einer sehr kurzer Distanz ausgeglichen.
Obwohl die nächste Herberge erst nach weiteren 35 km folgt, ist die die hier in dem ehemaligen Bahnhofsgebäude untergebrachte bislang alles andere als voll. Ich komme in einem 8-Bettzimmer unter, in dem alle weiteren Betten dann doch schon belegt sind. Meine Mitbewohner sind Spanier bzw. Italiener, denen ich teilweise auch vorher schon begegnet bin.
Da es schon wieder relativ früh am Tag ist, drehe ich eine Runde durch diese ganz interessante aber auch sehr touristische Stadt. Vor allem den zahlreichen Bars und ihren Preisen sieht man deutlich an, dass hier nicht nur Pilger eintreffen.

Hafen von Llanes
Hafen von Llanes

In der Hoffnung, mit meinem Nachmittags-Snack nicht gleich das Budget der nächsten Tage zu sprengen, kehre ich in eine Bar ein, die etwas weiter entfernt vom Touristenkern der Stadt liegt. Für ein weiteres Bocadillo und ein großes Bier zahle ich mit 6,70 € trotzdem etwas mehr als üblich, aber der Preis hält sich noch deutlich im Rahmen. Ein weiterer Vorteil dieser Adresse ist die Nähe zur Herberge, zu der ich auch zunächst wieder zurückkehre. Da mir nichts besseres mehr einfällt, haue ich mich für ’ne Stunde aufs Ohr.
Als der Tag danach immer noch nicht um ist, mache ich mich abermals auf zum Zentrum.
Als ich ans Wasser komme, werden gerade die großen Betonquader, die vor der Brandung schützen sollen, von einem riesigen Kran aufgestockt. Viele der älteren Blöcke sind von einem baskischen Maler sehr farbenfroh gestaltet worden. Es sind die so genannten Cubos de la memoria – Erinnerungswürfel – für die dieser Ort recht bekannt ist.
Auf dem Weg zurück in die Herberge entdecke ich gegenüber „meiner“ Bar einen großen Supermarkt, aus dem ich mir eine fertige Tortilla Patatas und eine Dose Bier für gleich und eine Flasche Wasser sowie Müsliriegel für den nächsten Tag hole. Die Salami für mein selbst gemachtes Bocadillo lasse ich hängen, da ich feststelle, dass dies zusammen mit einem entsprechenden Brot genauso teuer ist, wie ein unterwegs in einer Bar gekauftes Bocadillo. Und das ist dann dafür frisch und muss nicht geschleppt werden.
Auch die Tortilla hätte ich mir fast sparen können, denn die Spanier und Italiener, die da später mit mir am Tisch in der Herberge sitzen, bieten mir die üppigen Reste eines Pastagerichtes an. Aber letztendlich schaffe ich beides. Außerdem im Angebot: Jede Menge Wein. Mit am Tisch sitzt eine Österreicherin. Sie heiß Iris und scheint ganz nett zu sein.
Als ich gegen 23:00 Uhr noch wach in meinem Bett liege und sich seit geraumer Zeit nichts mehr geregt hat, schäle ich mich aus meinem Schlafsack, um endlich mal das Licht auszumachen. Aber da weißt mich der eine Italiener darauf hin, dass da wohl noch einer unter der Dusche sei.
Mann, dann soll der mal zusehen! Außerdem könnte er ja notfalls auch im Dunkeln in sein Bett steigen. Aber genau dies hat er gar nicht vor. Denn als er endlich den Raum betritt, wühlt er nur kurz in seinen Sachen und verschwindet wieder – ohne das Licht auszumachen.
Also klettere ich wieder aus meiner zweiten Etage, und dieses Mal gibt es keine Einwände mehr.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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