Arzúa → O Pedrouzo
→ 21,3 Kilometer
↑ 99 Meter
Sonntag, 01.06.2008
Auch, wenn ich bereits schon wieder um 7:30 Uhr starte, bin ich mir sicher, dass mir Fabienne schon weit voraus ist. Immerhin haben sie und paar weitere Leute vor, heute bis nach Santiago durchzulaufen! Ich kann ich dieser Idee so gar nichts abgewinnen. Zum einen reden wir von gut 45 Kilometern, und ich will doch nach über vier Wochen nicht völlig erledigt ins Ziel einlaufen. Zum Anderen lege ich auch nach wie vor keinen Wert auf eine möglichst frühe Ankunft. Außerdem habe ich Zeit.
Inzwischen stehen die Monolithen mit der verbleibenden Kilometerangabe im Abstand von 500 Metern auseinander.
Der heutige Weg ist absolut ereignislos. Das Wetter ist trocken und mild bis warm, die Landschaft unspektakulär, und man trifft auf so gut wie keine Mitreisenden.
Irgendwann stehe ich plötzlich vor der Herberge, die ich als mein heutiges Ziel angedacht habe. Aber sie ist zu. Im Türfenster hängt ein auf spanisch handgeschriebener Zettel, von dem ich kein Wort verstehe. Es ist weit und breit kein Mensch zu sehen. Also ziehe ich nach einer kurzen Pause auf einer Bank vor dem kleinen Gebäude weiter und strebe die definitiv letzte Möglichkeit vor Santiago unterzukommen an. Diese befindet sich in O Pedrouzo, das etwas abseits des Caminos liegt. Man erreicht sie gleich am Ortseingang. Allerdings lasse ich sie links liegen, da eine Werbung vor dem Ort auf eine weitere private Herberge hinweist, die einen ganz guten Eindruck machte.
Als ich dort ankomme (→ SV), kann ich unter schätzungsweise 60 freien Betten wählen. Einen Internetzugang sowie DVD-Brenner gibt es auch. Beides nutze ich. Ersteren für meine letzte Mail und den Zweiteren zum Sichern meiner Tagebuch- und Bilddaten.
Danach gehe ich noch mal auf Erkundungstour. Der Ort ist lang gezogen und unattraktiv. Fast sämtliche Infrastruktur ist geschlossen. Eine Bar macht da eine Ausnahme, und ich bestelle mir einen Hamburger und einen Kaffee. Es ist noch recht früh am Tag, und ich frage mich, was machen bloß immer die Leute, die fast täglich so früh am Ziel ankommen, weil sie morgens so zeitig starten.
Von meinem Platz aus kann ich beobachten, dass in meiner Herberge doch noch ein paar weitere, vorwiegend ältere, und komplett unbekannte Pilger eintreffen.
Als ich noch mal zu meinem Bett zurückkehre, hat sich der Schlafraum doch noch gut gefüllt und ich muss mir von einem älteren Berliner anhören, wie unumsichtig es doch sei, gleich zwei Betten zu belegen.
Da die Herbergen schon seit Tagen fast nur noch halb belegt waren, ist es inzwischen nicht unüblich seine Sachen auf ein anderes Bett auszulagern, zumal es keine anderen Möglichkeiten dafür gibt. Und dass es hier noch so voll werden würde, ahnte ich ja nicht. Also entschuldige ich mich und raffe meine Sachen zusammen. Aber wer glaubt, die Sache sei damit vom Tisch oder besser vom Bett, irrt. Der Gute meint aus irgendeinem Grund, immer noch mal in diesem Thema herumberlinern zu müssen. Als mir das irgendwann zu blöd wird, lasse ich ihn einfach stehen und drehe eine weitere Runde durch dieses ach so schöne Städtchen.
Irgendwann entdecke ich doch noch ein geöffnetes Restaurant, dass sogar etwas von einem Pilgermenü draußen stehen hat. Aber als sich der Wirt endlich von seinem Gespräch loslöst, träge auf mich zu schlurft und ich bei ihm das besagte Menü bestelle, dreht er sich wieder um und macht eine fast nicht wahrnehmbare, abwinkende Bewegung. Ich kann es kaum glauben. Aber als nichts mehr passiert, breche ich wieder auf.
Es muss hier in diesem Mistkaff doch irgendwo etwas zu Essen geben!?
Aber es gibt nur Bars, die höchstens irgendwelche Kleinigkeiten haben. Als ich vor einem dieser Schuppen „meinen“ Berliner entdecke, wage ich die Flucht nach vorn – immerhin sind wir hier ja auf dem Camino! – und spreche ihn auf die Verpflegungsmisere an. Auch er hat bislang nichts Besseres gefunden.
Ich ziehe weiter. Irgendwann treffe ich auf ein paar entfernt bekannte Gesichter, die mir etwas von einem Hotel neben einer Tankstelle vor O Pedrouzo berichten, wo es angeblich etwas zu essen geben soll (→ SV). Es gibt welches. Auch, wenn die Qualität des Essens als auch die des Weines sehr bescheiden ausfallen, so macht das eine doch satt und das andere löst den heute aufgebauten Frust.
In der dem Restaurant vorgelagerten Bar treffe ich dann noch auf Heather und Karen, die mich sofort an ihren Tisch einladen. Sie befragen mich nach der Qualität des Essens hier. Ich beantworte diese Frage mit der Gegenfrage, ob sie dieses Urteil aus fast verhungerter Sicht oder die Wahrheit hören möchten.
Auf dem Weg zurück in die Herberge ruft mich plötzlich jemand von der Barterrasse, auf der vorhin noch der Berliner saß. Es ist die Mexikanerin (waren wohl schon wieder mehr als 15 km…), die mich zu sich rüber winkt. An ihrem Tisch sitzen noch zwei Personen: ein junger Portugiese und eine junge Frau, deren Herkunft ich nicht weiter erfahre. Als ich mich zu ihnen setze, springt er sofort auf und fragt, was ich trinken möchte. Nach meiner jüngsten positiven Erfahrung mit dem Alkohol halte ich ein Bier für eine gute Idee.
Und so sitzen wir noch eine ganze Zeit draußen in der Sonne und unterhalten uns. Dabei stellt sich heraus, dass er mich bereits kennt. Dass ich dies nicht erwidern kann, passiert mir auf diesem Weg ja nicht gerade Mal!
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)