Lauzerte → Moissac
→ 27 Kilometer
↑ 154 Meter
Sonntag, der 25.07.2010
Irgendwie entwickelt sich dieser Camino immer mehr in eine Richtung, die so manch konservativer Herbergsvater nicht gut heißen würde. Aber zum Glück ist der mir bislang als einziger dieser Art bekannte einige hundert Kilometer von hier entfernt. Und so stört sich auch niemand daran, als wir aus nachvollziehbaren Gründen die Gîte erst gegen 9 Uhr verlassen. Wir setzen unser Wellness-Programm direkt fort, indem wir uns noch in Coudougné vor einem der Cafés niederlassen und frühstücken (→ SV). Dazu muss ich allerdings, wie auch schon gestern, unser Brot in einer Boulangerie besorgen. Welche dieses Mal etwas weiter entfernt ist. Und so laufe ich aus dem Altstadtkern raus den Hügel hinunter, um dann dort drei Baguettes einzusacken.
Steffi und Andreas haben sich sehr schnell mit meiner Philosophie des Caminos angefreundet, und so brechen wir wieder ziemlich spät, so gegen 11:30 Uhr, auf – obgleich wir heute mit 25 km eine deutlich längere Strecke als gestern vor uns haben. Aber insbesondere die Beiden haben alle Zeit der Welt, zumindest, wenn sie ihren Plan umsetzen, heute Nacht mal wieder draußen zu schlafen.
Wir haben den Ort noch gar nicht so lange hinter uns, da kommen Andreas und ich (Steffi ist außer Sichtweite hinter uns) an einer Kapelle vorbei, vor der sich zahlreiche Menschen aufhalten, die drinnen offenbar keinen Platz mehr gefunden haben. Über Lautsprecher wird die Messe, die dort stattfindet, nach draußen übertragen. Wir wissen sofort, was der Anlass ist: Heute ist der 25. Juli, und es ist Sonntag. Diese Kombination ist die Voraussetzung für das heilige compostelanische Jahr und der Grund, warum der Camino Francés, aber vor allem Santiago de Compostela, gerade aus allen Nähten platzen dürfte. Umso mehr genießen wir die Beschaulichkeit, in der wir gerade unterwegs sind.
Dieser Tag bringt noch eine weitere, persönliche Besonderheit mit sich: Für mich ist heute – auf den Kilometer genau – Halbzeit.
Ich mache immer wieder Fotos, und so laufen auch Andreas und ich in einer ständig größer werdenden Distanz.
Die Sonnenblumenfelder werden immer zahlreicher, und damit auch meine Fotos, vor allem, wenn sich dann auch noch Lavendel darunter mischt.
Genaugenommen laufe ich bereits seit unserem Aufbruch fast auf dem Trockenen, als ich endlich eine Art Herberge erreiche. Ich trete ein und treffe auf einen Mann, der mir auf die Bitte, meine Wasserflasche aufzufüllen, offenbar „Krieg und Frieden“ auf Französisch aufsagt, aber am Zustand meines Behälters nichts ändert. Das Einzige, das ich zu verstehen glaube, ist, dass es da wohl demnächst einen Brunnen gäbe. Entsprechend irritiert verlasse ich das Haus wieder und setze meinen Weg trocken fort. Offenbar habe ich ihn aber richtig verstanden, denn nicht allzu weit entfernt stoße ich tatsächlich in einer Ortschaft auf eine Wasserstelle. Bei der Gelegenheit lasse ich mich für eine kleine Pause nieder. Nur kurze Zeit später kreuzt auch Steffi auf und gesellt sich zu mir. Danach ziehen wir gemeinsam weiter.
Der Großteil des Weges liegt immernoch vor uns, als ich wieder nach vorne weg ziehe.
Kurz vor unserem Zielort Moissac sehe ich Andreas rechts des Weges sitzen. Ich geselle mich zu ihm, und wir warten gemeinsam auf Steffi. Die beiden disponieren kurzfristig um und beschließen, nun doch nicht draußen zu schlafen. So ziehen wir gemeinsam weiter in die Stadt. Der Weg zieht sich noch eine ganze Weile hin, ehe wir die Herbere erreichen, von der wir hoffen, dort unterzukommen. Genau in diesem Augenblick kommt uns eine Nonne entgegen, die uns zwar bestätigt, dass noch genau drei Betten frei seien, allerdings ist es jetzt gerade Zeit für die Messe. Und wenn wir ebenfalls daran teilnehmen möchten, sollen wir ihr nun direkt folgen. Wir beschließen den Geburtstag des Herren, der der Beweggrund aller Caminos ist, nicht ganz zu ignorieren, und folgen ihr. Unser Weg endet in einer recht imposanten Kathedrale und wir nehmen auf einer der seitlich angeordneten Bänke platz. Bis eben rechneten wir noch mit einer der üblichen Pilgermessen, aber wie sich herausstellt, handelt es sich um ein gregorianisches Konzert. Wir sind völlig begeistert und lauschen ganz gebannt der gut einstündigen Darbietung. Was für ein Timing! Wären wir nur eine Minute später gekommen, wäre uns das alles entgangen.
Wieder zurück in der Spendenherberge erfahren wir, dass das mit den verbleibenden freien Betten leider ein Irrtum war, aber es gäbe da noch einige Plätze in der Herberge des Klosters. Dieses ist nur einige hundert Meter entfernt, und tatsächlich kommen wir hier ohne Probleme unter. Von den beiden deutschen Damen, die das Ganze hier betreuen, erfahren wir, dass das am Vortag sehr schwierig gewesen wäre, da eine sehr große Gruppe alles in Beschlag genommen hatte.
Wir kommen in einem sehr großzügigen 6-Bettzimmer unter, dass wir zunächst für uns haben. Wir duschen und ziehen dann noch einmal ins Zentrum. Andreas und Steffi haben noch ein wenig Proviant, während ich mich auf den Weg mache, um mir etwas zu besorgen. In einer Art Dönerbude werde ich fündig und geselle mich mit meiner Beute direkt wieder zu meinen Begleitern auf den Platz vor der Kathedrale.
Später gibt es noch das obligatorische Bier, welches wir auf einer Bank sitzend konsumieren. Wir haben Spaß und sind sehr froh, dass uns hier keiner kennt.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)