Camino del Norte (Tag 01)

 

Hamburg → San Sebastián (Anreise)


 → ca. 1.700 Kilometer
↑ ca. 10.000 Meter

Montag, der 22.06.2009

 

San Sebastián
San Sebastián

Ich befinde mich bereits im spanischen Luftraum. Bei einem Blick aus den Fenster kann ich inzwischen die bergige Nordküste erkennen. Wie man es schon in den umfangreich studierten Wettervorhersagen lesen konnte, ist das Wetter einwandfrei.
Die junge Frau, die den ganzen Flug über schweigend neben mir saß, spricht mich plötzlich auf meinen Wanderführer an, den ich noch mal vor der Landung aufgeschlagen habe. Sie ist Spanierin und bittet mich auf Englisch noch mal auf eine bestimmte Seite zurückzublättern. Zu dem Ort, der dort zu sehen ist, gibt sie mir einige Tipps, was ich mir unbedingt ansehen soll, wenn ich dort bin.
Nun weiß ich nicht, ob ich auf dem Camino die Zeit für Ausflüge per Boot zu irgendwelchen Inseln haben werde, aber ich finde diesen Hinweis doch sehr nett von ihr und bedanke mich recht herzlich. Bei diesem Vorschlag soll es nicht bleiben. Sie blüht regelrecht auf, nimmt mir das kleine Buch ab und hat offenbar zu jedem Ort irgendeinen Insidertipp. Also greift sie zu einem kleinen Zettel und notiert für mich alles, was ich mir auf dem Weg nicht entgehen lassen sollte.
Sie ist damit kaum fertig, da setzt der Flieger auf der Landebahn des Bilbaoer Flughafens auf.
Beim Verlassen der Maschine ist es zwar warm, aber man wird nicht erschlagen.
Am Gepäckband muss ich nicht lange warten, da taucht mein neuer, extra vorher besorgter Rucksack auf. Dieses Mal wollte ich dann doch meinen eigenen haben.
Fehlt also nur noch mein Pilgerstab aus dem letzten Jahr.
Irgendwann sind keine Gepäckstücke mehr zu sehen – allerdings immer noch recht viele wartende Reisende, die mindestens ebenso ratlos gucken wie ich.
Ziemlich schnell werde ich vom Flughafenpersonal angesprochen, ob ich etwas vermissen würde. Daraufhin bittet man mich, zu einer schon recht langen Warteschlange hinüber zu gehen, damit man dort mein Anliegen aufnehmen kann.
Da solche Nachsendeaktionen logischerweise nur an einen festen Aufenthaltsort erfolgen können, den ich hier nun mal nicht habe, reihe ich mich nicht mit ein und verlasse schweren Herzens das Terminal ohne meinen lieb gewonnenen Camino-Begleiter.
Bei meinen Berechnungen für den Weg und die Zeit, die ich dafür benötigen werde, komme ich zu dem Ergebnis, dass sechs Wochen von Bilbao eventuell etwas zu viel sind. Also beschließe ich, zumindest mal zu gucken, ob man einigermaßen unproblematisch von Bilbao nach San Sebastián kommt.
Gerade als ich die Tür aus dem Flughafengebäude hinter mir gelassen habe, steht direkt vor mir ein Bus mit dem Ziel San Sebastián. Also bin ich nur wenige Minuten später für ein paar Euro auf dem direkten Weg in die Stadt, die meinen Camino noch mal um etwas mehr als 100 Kilometer verlängert.
Als ich in meinem neu erklärten Startort den Bus verlasse (→ SV), heißt es erst einmal, den Camino zu finden.
Im Gegensatz zu St. Jean-Pied-de-Port steht diese Stadt nun nicht gerade im Zeichen des Jakobsweges – und ist vor allem auch um einiges größer!

Kathedrale von San Sebastián
Kathedrale von San Sebastián

Von daher halte es für das Naheliegendste, einfach mal die Touri-Info aufzusuchen. Dazu muss ich vom Busbahnhof einmal quer durch die Stadt in Richtung Wasser. Nur wenige Meter vor der Information komme ich an einen Wegweiser, der unter vielen anderen Angaben ein mir sehr vertrautes Symbol beinhaltet: Eine gelbe, stilisierte Muschel.
Es ist geschafft! Nach fast einem Jahr vorfreudiger Erwartung, bin ich am Start zum Camino 2009 angekommen. Hier an dieser Stelle (→ SV) beginnen nun also neue sechs Wochen voller Eindrücke und kleiner oder sogar großer Abenteuer!

Voller Übermut mache ich ein Foto von dem Schild und folge seiner Richtung. Der Weg führt direkt auf der Promenade am sehr belebten Strand entlang. Pilger sind allerdings weit und breit keine zu sehen. Und auch die Herberge lässt noch eine ganze Weile auf sich warten, ehe ich sie am anderen Ende von San Sebastián erreiche. Zunächst übersehe ich sie, da ich den gelben Pfeilen folge, die kurz vor ihr abbiegen und auf einen Berg führen. Von daher laufe ich bereits heute unfreiwillig gut einen Kilometer der morgigen Strecke, ehe ich meinen Irrtum bemerke.
Die Herberge (→ SV) hat in ihrer Aufmachung eher etwas von einer Jugendherberge als von einem Pilgerdomizil – was leider auch für den Preis gilt: 17,50 € für Übernachtung und Frühstück. Das scheint zwar zunächst nicht teuer, aber wenn man an die Preise vom Camino Francés denkt, die zwischen 0,- und höchstens 8,- € lagen, ist das schon ein kleiner Unterschied. Und wenn man das dann auf sechs Wochen hochrechnet, kommt da schon etwas zusammen.
Nachdem ich eingecheckt habe, lasse ich mir einen Tipp geben, wo ich noch etwas essen kann. Da ich das empfohlene Restaurant aber nicht finde, lande ich in einer Art Fastfood-Pizzeria und bestelle mir einen Nudelauflauf, den ich dann in einer nahe gelegenen, kleinen Parkanlage unter einer Palme zu mir nehme. Mein erstes Pilgermenü – wenn auch nicht ganz stilecht.

Mit leichten Kopfschmerzen begebe ich mich zurück zur Herberge.
Da das mir zugedachte Bett mit diversen fremden Utensilien belegt ist, nehme ich das darunter liegende, freie Bett ein.
Irgendwann in der Nacht werde ich geweckt. Neben meinem Bett steht jemand, der den Anspruch auf seine Liegefläche geltend macht und wegen seines Beines auch nicht in das über mir immer noch leere Bett steigen möchte. Also ziehe ich kurz um.
Als ich gerade wieder einige Zeit schlafe, werde ich abermals wach. Neben meinem Bett wird leise, aber nicht ohne Aufregung geredet. Dann wendet der Mann sich an mich. Irgendwann verstehe ich endlich, was er will: Seine Sachen. Die, die bis in die späte Nacht hinein in meinen Bett lagen, und die ich dann auf den Schrank neben mir verfrachtet hatte. Ich weise ihn darauf hin, er nimmt sie sich, und dann ist endlich Ruhe für die noch verbleibende Nacht.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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