Camino del Norte (Tag 07)

 

Bilbao → Pobeña


 → 27,1 Kilometer
↑ 127 Meter

Sonntag, der 28.06.2009

 

Portugalete
Portugalete

Nachdem ich mich von Jens verabschiedet habe, verlasse ich ungewöhnlich spät – gegen 10:00 Uhr – die Herberge.
Für die heutige Etappe gibt es zwei Alternativen. Die knapp 2 km längere entspricht zwar nicht dem ursprünglichen Camino, soll aber etwas interessanter sein. Um auf diese Strecke zu kommen, muss ich wieder ein kleines Stück zurück in die Stadt, um dann – leider noch vor dem bekannten Guggenheim Museum – über eine kurvenförmige Brücke auf das andere Ufer zu gelangen (→ SV).
Von nun an laufe ich immer in Flussnähe durch Industriegebiete und an Werften vorbei.
Die Strecke scheint kein Ende nehmen zu wollen. Zwar sind die Aussichten auf den Fluss, die Schiffe und das andere Ufer recht abwechslungsreich, aber als ich mich irgendwann am Rand einer sehr stark befahrenen Landstraße entlang pressen muss, wünsche ich mir doch langsam mal bei der angekündigten Schwebefähre anzukommen, die mich dann wieder zum hoffentlich etwas ruhigeren Camino zurückbringt.
Es dauert aber noch eine ganze Zeit, ehe ich das historische Bauwerk erreiche. Für 50 Cent setze ich mit diesem ältesten Verkehrsmittel seiner Art nach Portugalete über.
Angeblich soll es ja kurz nach dem Verlassen der Fähre eine Freiluftrolltreppe geben (→ SV), die einen in den oberen Teil der Stadt bringt. Die Treppe, die ich finde ist eindeutig nicht motorisiert, was ja auch viel authentischer ist. Nur leider hätte mich die moderne Variante direkt auf den Camino zurückgeführt. Jetzt kann ich ihn leider nicht ausmachen, und somit bin ich kurze Zeit später umgeben von einem älteren Ehepaar, das mir gleich diverse Möglichkeiten nennt, wie ich weiterkommen könnte. Damit meine Konfusion noch ein wenig mehr Nahrung bekommt, versammeln sich binnen kurzer Zeit noch weitere Personen um mich, und jeder hat eine noch bessere Idee. Ich entgehe der Verwirrung, indem ich keinem von diesen Vorschlägen folge, und stattdessen einfach, wie eigentlich auch von vornherein geplant, die Touri-Info einige Meter weiter aufsuche.
Dort muss mir zunächst aufgeschlossen werden (hier wird wohl nur bei Bedarf geöffnet), und dann bekomme ich eine richtige Stadtkarte, auf der der Camino eingezeichnet ist. Mit ihrer Hilfe steuere ich zielsicher auf die offizielle Route zurück. Wie bei fast jeder größeren Stadt treffe ich erstmals wieder auf die vermissten Wegweiser, als ich diese bereits verlassen habe.
Leider habe ich bei meiner unfreiwilligen Stadtrallye kein einziges Café gefunden. Von daher lasse ich mich in einer wieder etwas ländlicheren Umgebung auf einem Wanderrastplatz nieder. Da wir am Vortag mit Hunger eingekauft haben, kann ich mich über mangelnden Proviant nicht beklagen. Dafür bekunden meine Füße mir das erste Mal ihren Unmut. Zeit, für meine erste Blasenbehandlung.
Seitdem ich Portugalete hinter mir gelassen habe, folge ich ohne Unterbrechung einem makellosen Fahrradweg, der mit seinem rotem Asphalt und dem weißen Mittelstreifen eine sehr fotogene Linie durch diese leicht hügelige Landschaft zieht.

Camino am Strand
Camino am Strand

Auch der nächste kleine Ort hält leider keinen Kaffee für mich bereit. Dafür treffe ich kurz dahinter wieder auf den Spanier, den ich bereits zusammen mit dem älteren Italiener begegnete. Inzwischen ist er allerdings mit einem anderen jungen Pilger aus Barcelona unterwegs und macht hier gerade Pause.
Als letzterer mitbekommt, dass ich aus Hamburg komme, erzählt er mir, dass er auch demnächst dahin möchte, um seiner Ausbildung nachzugehen. Er versucht von da an seine Deutschkenntnisse anzubringen. Diese sind allerdings so rudimentär, dass ich ihn kaum verstehe, und wir auf englisch sicher um einiges besser klar kämen.
Ich erzähle den beiden von dem Herbergsvater mit den militärischen Ambitionen und ich erfahre, dass er offenbar jetzt jedem der es hören möchte (oder auch nicht!), die sensationelle Geschichte von den beiden verrückten Deutschen erzählt, die noch zu sooo später Stunde bei ihm angekommen sind.
Irgendwann breche ich wieder auf, und wir verbleiben bis zur nächsten gemeinsamen Herberge.
Der Weg zieht sich noch eine ganze Weile, bevor ich dann endlich in dem Ort eintreffe, von dem ich glaube, dass ich dort meine Herberge vorfinde. Aber da habe ich mich etwas vertan.
Zum Glück! Denn das Nest stellt sich als absoluter Strand-Touri-Ort heraus. Dementsprechend marschiere ich dann zunächst über einen großen Parkplatz, um dann in voller Pilgermontur zwischen hunderten von Badeurlaubern direkt über den Strand in Richtung meines tatsächlichen Zielortes zu laufen.
Dies geschieht nicht etwa aufgrund eines Irrtums meinerseits oder weil ich dies für kürzer halte. Nein, dieser langgezogene Badestrand ist ein offizieller Teil des Jakobsweges!
Kurz vor dessen Ende holen mich auch wieder die beiden Spanier ein, und wir erreichen gemeinsam die kleine Herberge, die eigentlich eine Schule ist.
Hier treffe ich auf so ziemlich alle flüchtigen Begegnungen der letzten Tage: Den alten Italiener, Laura und sogar der freundliche Herbergsvater aus dem Kloster von Marquina-Xemein ist hier offenbar zu Besuch.

Dieser Ort verfügt zwar über gleich drei Bars, aber etwas zu essen zu bekommen stellt sich als recht schwierig heraus. Also kehre ich nach meiner kleinen erfolglosen Runde erst mal frustriert zur Herberge zurück und setze mich vor den Eingang.
Dort sind sitzen inzwischen weitere Übernachtungsgäste, und ich komme zu der Erkenntnis, dass dies wohl auch so ziemlich alle Pilger sein werden, mit denen ich hier die nächsten Tage zu tun haben werde. Ich hatte noch die leise Hoffnung, dass aus Bilbao vielleicht noch der eine oder andere dazu käme. Aber das scheint nicht so zu sein.
Die sich daraus langsam entwickelnde Enttäuschung hat ihren Höhepunkt noch nicht ganz erreicht, da entdecke ich etwas abseits sitzend einen jungen Mann, den ich bislang noch nicht gesehen hatte. Er hält in der Hand eine Mütze von Jack Wolfskin, was die Vermutung nahe legt, dass er aus Deutschland kommt. Ich spreche ihn aber vorsichtshalber zunächst auf Englisch an. Er kommt aus dem Schwäbischen. Nachdem wir ein paar Worte gewechselt haben, schlage ich vor, mal zu gucken, ob wir gemeinsam etwas mehr Erfolg bei der Suche nach etwas Essbarem haben.
Kurze Zeit später sitzen wir vor einer der Bars bei einem großen Bier. Zu essen gibt es hier weithin nichts Richtiges, außer einer kleinen Tortilla. Dafür kommen wir insgesamt auf drei große Bier und es entwickelt sich zu einem sehr geselligen Abend. Meine neue Bekanntschaft heißt Olli und ist Heilpraktiker, was auf dem Camino ja durchaus mal sehr praktisch sein kann. Auch er hatte im letzten Jahr den Camino Francés gemacht – sowie den Caminho Português.
Nach einem kleinen Gewitter, das wir noch gemütlich unter dem Sonnenschirm aussitzen, begeben wir uns dann wieder zurück auf den kurzen Weg in die Herberge.
Olli fragt mich noch, wann ich denn morgens so aufbreche. Ich erzähle ihm, dass ich allgemein eher zu den Letzten gehöre, die eine Herberge verlassen. Er hingegen meint, er stünde eher früh auf, und wir verabschieden uns in die Nacht.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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