Camino Francés (Tag 18)

 

Bercianos del Real Camino → Reliegos


 → 20 Kilometer
↑ 42 Meter

Sonntag, 18.05.2008

 

Einöde
Einöde

60 Menschen und zwei Toiletten. Das bedeutet, dass selbst in der Nacht die Türen dorthin nicht lange verschlossen bleiben. Aber natürlich herrscht hier insbesondere in den Morgenstunden ein sehr reges Treiben. Dies kann unter zwei Umständen zur starken Belastungsprobe werden: Entweder man muss selbst dringend mal, oder, was ja eher selten vorkommt: Man liegt direkt daneben und versucht zu schlafen. Wahrscheinlich wäre das nur halb so schlimm, wenn die Dielen auf denen ich liege, nicht so knarzen und wippen würden, und wenn aus der Toilette nicht immer eine volle Packung Flutlicht auf mich in diesem ansonsten absolut dunklen Raum fallen würde.
Dementsprechend früh, um 7:15 Uhr, bin ich dann auch wieder auf den Beinen. Dies hat außerdem den Vorteil, dass ich die Reisegruppe bereits in der Herberge hinter mir lassen kann, während diese noch dabei ist, die nächsten zwei Stunden durchzuplanen.
Umhüllt von der feuchten Frische Spaniens und lautstarken Froschkonzerten, steuere ich das nächste Dorf für mein Frühstück an.
Wiedermal werde ich unfreiwilliger Teilnehmer am beliebten Wettlauf: „Was ist schneller bei wem?“ ich im Dorf oder die Regenwolke über mir, den ich natürlich wie immer verliere.
Es folgt ein dementsprechend langer Frühstücksaufenthalt im anfangs noch völlig leeren Café, das sich aber binnen kurzer Zeit mit zahlreichen Pilgern füllt.

Reliegos
Reliegos

Erst, als der Regen soweit nachgelassen hat, dass man die andere Straßenseite wieder sehen kann, beschließe ich, wieder aufzubrechen.
Wieso glaubt man eigentlich immer, dass, wenn Regen weniger wird, dies einer insgesamten Tendenz entspricht!? Dass das nicht so ist, bekomme ich für den kompletten Rest des Weges bis zur auserwählten Herberge zu spüren. Als ich bei dieser ankomme, habe ich den feuchtesten und vor allem kältesten Tag des gesamten Caminos hinter mir. Meine Finger, die die Wasserflasche umklammerten, kann ich nicht mehr bewegen, nur noch brechen. Irgendwann bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich meiner Wut und Ohnmacht über das Wetter durch lautes Anbrüllen des Selbigen Luft machte. Peinlich brauchte mir das nicht zu sein: Ich bin auf dem ganzen Weg keinem einzigen Menschen begegnet. Warum auch!? Wer läuft schon bei so einem Wetter durch die Pampa!? Wie sich herausstellt, eine ganze Menge! In der Herberge tummeln sich nämlich wieder diverse Leute, die alle damit beschäftigt sind, sich und ihre Klamotten trocken zu bekommen (→ SV). Letzteres kann man sogar draußen vor der Herberge machen, da das Wetter, jetzt, wo man angekommen ist, eine 180-Grad-Drehung gemacht hat. Betten gibt es endlich mal wieder ausreichend.
Nachdem ich eine heiße Dusche genommen habe, wickel ich mich erst mal in eine Wolldecke ein.
Später ziehe ich in einer fremden Hose, die mir die Herbergsmutter geliehen hat, in eine der Dorfbars und trinke einen Tee. Während aus den Boxen laut Musik von Elvis gespielt wird, unterhält sich ein Pilger, der mir schon des Öfteren aufgefallen ist, mit einem australischen Paar, dass ich auch nur „aus der Ferne“ kenne. Er ist mit seinem Hund unterwegs und hat offenbar schon den einen oder anderen Wein intus. Jedenfalls redet er sehr laut und wild gestikulierend, während er mit leicht motorischen Problemen zu kämpfen hat.
Später kehre ich nochmals in diese Bar zurück, und zwar zusammen mit Heike, einer Frau um die 60, die mich auf meinem Rückweg in die Herberge ansprach. Da sie sehr religiös zu sein scheint, geht unsere Unterhaltung auch immer wieder in diese Richtung, allerdings auf eine erfrischend unverkrampfte Art. Sie ist es dann auch, mit der ich mich dann im Anschluss in das Restaurant zum Pilgermenü begebe (→ SV). Es sieht fast so aus, als würde mir die Flasche Wein, die dazu gereicht wird, heute ganz allein gehören. Dies ändert sich allerdings, als plötzlich Brigitte mit einer neuen, männlichen Begleitung dazu kommt.
Anschließend geht es recht zügig ins Bett, in dessen näheren Umgebung ausschließlich Frauen schlafen. Dies lässt auf eine etwas ruhigere Nacht hoffen.
Morgen ist León angesagt.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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