Barr → Châtenois
→ 24 Kilometer
↑ 225 Meter
Dienstag, der 17.07.2012
Die Kirche im Ort startet gerade ihre 9 Glockenschläge, als ich den Campingplatz verlasse.
In mir ein Gefühl von Dankbarkeit. Zum einen, weil die nette Dame vom Campingplatz mir einfach so 3,- € vom Preis nachgelassen hatte, als ich ihr das Zelt zurückgab, und zum Anderen, weil ich dies noch bei trockenem Wetter abbauen konnte! Es regnet zwar auch jetzt noch nicht, aber es sieht definitiv nicht danach aus, als würde es noch lange dabei bleiben!
Als erstes gilt es, ein Café aufzusuchen. Ich werde schnell fündig und bekomme ein wunderbares Sandwich fromage et jabon (Käse und Schinken) und natürlich das obligatorische Heißgetränk. (→ SV)
Kurz hinter dem Ort passiere ich ein Schild, das unter anderem die verbleibenden Kilometer nach Santiago angibt: 2.283. Aber auch die zu laufende Zeit zu meinem heutigen Ziel Châtenois steht dort geschrieben: 6 Stunden. Für 20 km!? Da muss ja eine sehr reizvolle Landschaft vor mir liegen, die offenbar zu sehr vielen Pausen einlädt…! Ganz so abwegig ist das gar nicht! Ich durchlaufe eine unglaublich malerische Gegend! Der Weg führt durch Weinberge und kleine mittelalterliche Ortschaften. Das erinnert mich doch schon viel mehr an den doch so romantisch gelegenen Via Podiensis im Süden dieses Landes. Außerdem tragen noch vereinzelnd auftauchende Eidechsen sowie die inzwischen sehr umfangreichen Camino-Wegweiser zu diesem vertrauten Ambiente bei. Und all das erlebe ich in dem von mir so getauften „„Ponferrada-Cacabelos-Phänomen“„: Als ich damals in Spanien zwischen diesen beiden Städten unterwegs war, ging um mich herum über Stunden die Welt unter, während über mir ein Loch in den Wolken die Sonne durch ließ.
In einer kleinen Ortschaft entdecke ich Jakobsmuscheln, die an einem Gartenzaun befestigt wurden. Aufgemalte Pfeile weisen mir den weiteren Weg.
Kurz darauf gelingt mir sogar noch eine vollständige französische Konversation mit einem von zwei Straßenarbeitern. Sie fragen mich etwas, von dem gerade mal “Compostelle” verstehe, und antworte mit einem astreinen “Oui.”
Definitiv anders als in Südfrankreich sind hier allerdings die Wanderwegmarkierungen, also nicht die vom Jakobsweg, sondern die, der parallel verlaufenden Nah- und Fernwanderwege. Während ab Le Puy der Chemin de St. Jacques komplett der rot/weißen Markierung des GR65 folgt oder umgekehrt (?), wechseln hier die Symbole und Farben fast im Stundentakt. Bis eben folgte ich einem roten Punkt, jetzt ist es ein gelbes Kreuz, während es heute Morgen noch rot-weiß-rote Streifen waren. Nach denen kann ich also nicht gehen – buchstäblich.
Mein Streifzug durch die Weinberge wird immer wieder durch zauberhafte Dörfer nach aufgelockert. Schade ist dabei nur, dass man in diesen irgendwie die Cafés und Bars vergessen hat. Und genau so etwas hätte ich doch gern langsam mal! Nicht zuletzt deswegen sehe ich es auch nicht ein, dass die Wegweiser mich um einen dieser Orte herum führen wollen. Also beschließe ich, am anderen Ende den Weg kurz zu verlassen, um noch mal in den Ortskern zu schlendern.
Aber auch hier gibt es nur so etwas wie eine Weinstube, in der man zwar auch Cappuccinos bekommt, allerdings in einem nicht gerade rustikalem Ambiente. Nun ist das Elsass halt auch nicht unbedingt für seinen Kaffee bekannt… Auf meinem Rückweg zum Camino komme ich noch an einem 2-Sterne Hotel vorbei, dass satte 70,- € für das Zimmer haben will! In einem verschlafenen Ort wie diesem hier!?
Inzwischen folge ich einem grünen Dreieck und „meine“ gelbe Muschel muss sich ihren Platz mit diesem Symbol auf einem weißen Schildchen teilen. Dabei fällt sie so klein aus, dass ich nur noch darauf achte, ob sich auf diesen Wegweisern unten rechts ein daumennagelgroßes blaues Quadrat befindet.
Irgendwann ist die Sonne doch noch so mächtig, dass ich meine Kleidung auf kurz umstelle und zur Sonnenmilch greife – obwohl es nur noch gut eine Stunde bis zu meinem heutigen Ziel sein dürfte.
So ist es dann auch. Um kurz vor vier treffe ich in Châtenois ein, und da ich ja ausnahmsweise bereits über eine Adresse verfüge, erreiche ich nur kurz darauf auch die Herberge (→ SV). In deren Eingangsbereich gibt es leider null Hinweise darauf, dass diese Unterkunft auch im Zusammenhang mit dem Camino steht.
Eine Frau mittleren Alters nimmt sich meiner an und erledigt die Formularien. Unter anderem informiert sich mich darüber, dass die Herberge komplett voll sei, und sie mir deswegen kein Zimmer mit Bad mehr geben könne. Von daher müsse ich leider die Gemeinschaftsduschen nutzen. Was für ein Schicksal. Genaugenommen wäre es fast das erste Mal, dass ich auf einem Camino ein eigenes Bad hätte…
Dann will sie noch wissen, ob 19:30 Uhr fürs Abendessen ok sei. Ich habe eine Wahl!?
“Ja, natürlich! Das ist perfekt.”
Danach richte ich mich in meinem 2-Bettzimmer kurz häuslich ein und nutze die Gelegenheit, dass im Moment noch niemand von den angeblich so zahlreichen Gästen da ist, und dusche. Außerdem ist es Zeit für eine Handwäsche! Wenn es hier weiterhin keine Pilgerherbergen und damit auch eher keine Waschmaschinen gibt, werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen!
Als ich auch damit fertig bin, drehe ich eine Runde durch den Ort.
In einem kleinen Lebensmittelladen, erwerbe ich für nicht einmal 2,- € ein Fertig-Sandwich sowie eine 0,5 Liter-Dose Bier mit dem vielversprechenden Namen “Brauperle”!
Zusammen mit dieser Beute suche ich mir ein nettes Plätzchen auf einer Mauer am Rande der Ortschaft. An mir vorbei führt der Camino von morgen und ich blicke auf das buntglasierte Dach der Kirche. (→ SV)Direkt neben mir enden die Weinreben eines Berges und über mir strahlt die Sonne von einem fast wolkenfreien Himmel. Besser könnte es mir im Moment kaum gehen!
Mein Abendessen nehme ich nicht, wie erwartet in dem großen Speisesaal ein, sondern in einem etwas kleineren, separaten Raum. Auf zwei Tischen stehen bereits jeweils ein Teller für die Vorspeise. Alle weiteren Tische sind leer. Die Dame des Hauses fragt mich, ob ich fernsehen möchte.
“Nein. Danke!”
“Wir haben auch deutsche Programme!”
“Nein, trotzdem nicht. Vielen Dank!”
Als Vorspeise gibt es eine, ich würde sagen, Kohlart mit einer Scheibe, die nach Leberkäse aussieht, aber die Konsistenz von Leberwurst hat. Geschmacklich ist das Ganze eher als neutral zu beschreiben. Das gilt auch für das Hauptgericht: Ich weiß nicht, was es ist. Es sieht aus, wie ein Schnitzel, dass die Pfanne aber nur im Überflug gesehen hat. Es scheint aber so etwas wie Kartoffelpüree, leicht paniert und angebraten, zu sein. Dazu gibt es Schnittbohnen. Der Nachtisch sieht zwar nach Dosenananas aus, ist dafür aber ungewöhnlich hölzern.
Mit dem Franzosen, der sich zwischenzeitlich an den anderen Tisch gesetzt hat, wechsel ich kein Wort. Zum einen spricht er nur Französisch, und zum anderen hat er das Angebot mit dem Fernsehen angenommen. Und so komme auch ich in den Genuss einer Wettervorhersage, die gar nicht sooo schlecht aussieht.
Nach wie vor frage ich mich, wo bloß all die Leute sein können, die hier ebenfalls übernachten. Immerhin ist die Herberge ziemlich groß. Aber sowohl hier als auch im Ort wirkt alles wie ausgestorben!
Trotzdem drehe ich vorm Schlafengehen noch eine Runde. Unter anderem begebe ich mich auch noch mal auf die Suche nach einem W-Lan Zugang. Vor einem Hotel, gleich um die Ecke, werde ich fündig. Hier bekommt man freundlicher Weise auch gegen die Eingabe von fiktiven Personalien einen Zugang. Und so habe ich die Gelegenheit, meine offizielle Startmail abzusetzen.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)