Les Faux → Aumont-Aubrac
→ 20,6 Kilometer
↑ 254 Meter
Sonntag, der 11.07.2010
Am Vorabend ist lediglich noch ein weiterer Franzose dazugekommen, der aber dafür gesorgt hat, dass ich zum ersten Mal meine Ohropax einsetzen musste.
Jetzt sind es allerdings die drei Mädels, die für eine Umfangreiche Geräuschkulisse sorgen. Während sie zwischen 6 und 7:00 Uhr noch relativ ruhig waren, sind sie jetzt offenbar der Meinung, dass ab 7:00 Uhr eh jeder wach zu sein hat. Ganz reizvoll fand ich den Wecker, den sie offenbar vergessen hatten zu deaktivieren, bevor sie ins Bad gegangen sind…
Und nun wird sich in normaler Lautstärke unterhalten und telefoniert, obgleich sich ja gerade mal eine Treppe tiefer ein sehr netter Aufenthaltsraum befindet. Aber den noch schlafenden Franzosen scheint das nicht zu stören, und ich will eh gleich aufstehen.
Als ich die Herberge verlasse, stelle ich erfreut fest, dass sich das Wetter wieder beruhigt hat und die Landschaft abermals von einem malerischen Morgenlicht durchflutet ist. In den unter mir liegenden Tälern wabern milchige Nebelfelder. Aber auch das hohe Gras, das meinen Feldweg überwuchert, ist ziemlich nass und tränkt das Leder meiner Schuhe bedenklich – was aber meine Begeisterung über diesen großartigen Morgen nicht im Geringsten trübt.
In dem Ort, der am Vortag noch das Etappenziel darstellen sollte, nehme ich vor einer Bar ein sehr gutes Frühstück ein und lasse meinen Wasservorrat auffüllen.
Die Landschaft bleibt unverändert idyllisch. Der Weg führt vorbei an braunen, meist faul auf der Wiese liegenden Kühen und durch kleine verschlafene Ortschaften. Zwischendurch trinke ich noch mal einen Kaffee auf der Terrasse eines einsam und sehr nett gelegenen kleinen Hotels.
Da ich dies draußen mache, erhöht sich der Preis des Kaffees noch mal um 0,50 € auf 3,- €.
Aber das ist es auch definitiv wert.
Da die Strecke heute mit knapp 20 km relativ kurz ist, treffe ich bereits gegen 14:00 Uhr in meinem Zielort ein. Aumont Aubrac ist ein etwas größerer Ort dessen Mitte von einer alten Kirche aus hellem Stein dominiert wird. Über dem Eingang prangt eine riesige steinerne Jakobsmuschel. Davor sitzen Fabienne & Co. auf einer Bank, und auf dem Boden sitzt die Kanadierin.
Ich geselle mich dazu und erfahre, dass man hier in dem benachbarten Gebäude gegen einen Spende unterkommen kann (→ SV). Na, dass kling doch mal nach Camino!
Ich setze mich zu der Kanadierin. Sie heißt Jennifer und ist wohl so Mitte/Ende 20. Sie verrät mir, dass sie sehr froh sei, mit mir endlich mal jemanden gefunden zu haben, der Englisch spricht. Und so unterhalten wir uns eine ganze Weile. Ich erfahre, dass Sie gerade so eine Art Europa-Rundumschlag macht. Sie ist bereits einen Teil des Camino Francés gelaufen, war danach in Island und ist nun kurzentschlossen diesen Camino angetreten, da ihr der andere Weg schon so gut gefallen hatte. Danach, und zwar schon in einigen Tagen, geht es dann in die Schweiz und nach Deutschland.
Wir stellen alle schon mal unsere Rucksäcke in der Herberge unter. Sie verfügt lediglich über ein paar Räume unter dem Dach, die man sich mittels einiger dünner Matratzen zu Schlafgelegenheiten umfunktionieren kann. Die Mädels nehmen sich alle eines der Zimmer und ich habe das danebenliegende wieder mal für mich.
Direkt danach werden die vier von dem französischen Pilger eingesackt, mit dem ich vor zwei Tagen bereits ein paar Worte am Wegesrand wechselte. Er ist offenbar mit seinem Auto unterwegs. Dies parkt er täglich am jeweiligen Etappenstart und läuft dann den Abschnitt einmal hin und wieder zurück. Auf diese Weise bleibt er flexibel und hat auch kein Gepäckproblem. Jetzt wollen die fünf zum Baden an einen etwas entfernteren Fluss fahren. Sie fragten auch mich, ob ich mitkommen wolle. Aber ich lehnte dankend ab. Vom Camino/Auto-Thema mal ganz abgesehen, muss ich bei der Hitze nun auch nicht unbedingt zu sechst durch die Gegend zu gondeln.
Die Alternative stellt sich allerdings auch nicht als makellos heraus: Der Ort ist zwar etwas größer und verfügt auch über alles an Infrastruktur was man so benötigt, aber leider ist Sonntag…
Dafür haben aber zumindest einige Bars auf. Vor einer davon treffe ich auf Sieglinde. Sie wollte ursprünglich heute von hier abreisen, muss sich jetzt aber noch bis morgen gedulden, da auch der Bahnhof hier sonntags nicht angefahren wird.
Ich suche eine Bar auf, bei der es auch eine Kleinigkeit zu essen gibt und bestelle einen Croque Monsieur. Allerdings wird dieser ausgerechnet hier nicht in einem Baguette sondern auf Toast zubereitet. Dazu genehmige ich mir ein Bier und lasse mir Zeit. Aber irgendwann habe ich lange genug dagesessen und ich beschließe, mich noch mal kurz hinzulegen. Als ich schließlich auch davon genug habe, setze ich mich auf eine Bank vor die Herberge und warte, dass der Pfarrer wiederkommt. Er hatte mich zuvor in der Herberge darüber informiert, dass er so gegen 19:00 Uhr wiederkäme, um die Kirche aufzuschließen, da könne ich dann meinen Stempel bekommen. Als er endlich gegen 19:30 Uhr auftaucht, kassiere ich einen weiteren Beitrag für meinen Pass.
Jennifer und ich hatten vage abgemacht, dass wir am Abend ja eventuell zusammen ein Restaurant aufsuchen könnten. Aber als das Quartett 20:30 Uhr immer noch nicht wieder zurück ist, mache ich mich auf zu dem Restaurant, in dessen angeschlossener Unterkunft ich ursprünglich unterkommen wollte.
Ich nehme an einem der draußen stehenden Tische platz, und es dauert ungewöhnlich lange, ehe die Bedienung feststellt, dass sie mich offenbar seit geraumer Zeit übersehen hat. Sie gibt ein überraschtes „Oh!“ von sich und – verschwindet wieder.
Nach einer weiteren beachtlichen Zeit kommt sie mit einer Karte wieder. Ich bestelle das Tagesmenü. Sie erwidert zunächst auf Französisch. Als ich ihr sage, dass ich nur Englisch verstehe, muss sie sich sehr lange sortieren, ehe sie mich wissen lässt, dass es dieses Menü abends nicht gibt, dann verschwindet sie wieder.
Ok. Zwar habe ich relativ schnell eine andere Wahl getroffen, aber leider nützt mir das nichts. Denn als sie nach weiteren 10 oder 15 Minuten immer noch nicht aufgetaucht ist, breche ich wieder auf, und entscheide mich für ein nahegelegenes Hotel-Restaurant. Hier kann man zwar nur drinnen sitzen und es wirkt auch ziemlich bieder, aber hier nimmt man sich sofort meiner an und ich bestelle mir Tagliatelle de Saint-Jacques. Wenn mir heute noch einer helfen kann, dann der!
Und in der Tat bekomme ich einen riesigen Berg Nudeln mit irgendeiner fischprodukthaltigen Soße, sowie einen Rotwein der nachgefüllt wird.
Um 21:30 Uhr verlasse ich das Restaurant wieder gut gesättigt.
Die Mädels kehren erst gegen 22:00 Uhr zurück. Sie haben an dem Fluss wohl auch gegrillt und machen sich jetzt noch eine Kleinigkeit in der Küche. Wir unterhalten uns kurz, und dann verziehe ich mich in mein Zimmer.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)