Camino del Norte (Tag 25)

 

Piñera → Tapia de Casariego


 → 25,6 Kilometer
↑ 108 Meter

Donnerstag, der 16.07.2009

 

Brücke bei Navia
Brücke bei Navia

Normalerweise ist 8:00 Uhr ja eher schon eine späte Startzeit, aber trotzdem breche ich so ziemlich als Erster auf.
Der Ort, in dem ich vorhabe zu frühstücken, stellt sich eher als Industriegebiet heraus. Also ziehe ich noch in die ebenfalls nicht mehr weit entfernte Stadt Navia. Dort lockt mich der Duft von Backwaren zu einem Café, bei dem man aber nicht draußen sitzen kann. Also ziehe ich noch mal kurz weiter, um zu gucken, ob ich anderswo eine entsprechende Gelegenheit habe, muss aber einsehen, dass das besagte Café wohl die beste Wahl ist.
Beim Betreten des Ladens entdecke ich Marc, Greta und Vanessa an einem der Tische, und ich geselle mich dazu. Merkwürdigerweise sind es auch diese drei, die mich wieder einholen, als ich am Ortsausgang meine Flasche an einem Brunnen mit Wasser fülle – obwohl ich deutlich nach ihnen aufbrach.
Somit ziehen wir gemeinsam weiter und lassen uns einige Kilometer später zu einer weiteren Pause auf einer Wiese nieder. Nur kurze Zeit später tauchen auch Simona, Daniel sowie Antoine auf und gesellen sich dazu.
Von nun an sind wir also zu siebt unterwegs.
Bei einer weiteren gemeinsamen Einkehr, verlässt uns Antoine vorübergehend, da er mit seinem knallgelben Wohnmobil zunächst immer an das Tagesziel und dann mit dem Bus an den Ausgangspunkt fährt.
Im weiteren Verlauf des Weges kommen wir bei einer Brücke an – oder besser: an die Stelle, an der einst eine stand. Jetzt ist sie abgerissen und wird neu gebaut. Da wir aber nicht unbedingt bis zu ihrer Fertigstellung warten wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als einige hundert Meter weiter barfuß durch die Stromschnellen eines flachen aber breiten Flusses zu warten.
Natürlich erinnert mich diese Szene an die auf dem Weg nach Muxía im letzten Jahr. Nur leider gibt es dieses Mal keine großen Steinquarder, sondern nur sehr unwegsame kleine Steine.
Trotzdem kommen wir alle weitestgehend trocken am anderen Ufer an.
Ob wir unser Ziel noch trocken erreichen, ist allerdings sehr fraglich, denn hinter uns baut sich eine äußerst bedrohliche Wolkenfront auf.
Auch meine Stimmung verdunkelt sich etwas. Ich weiß gar nicht so genau warum. Vielleicht weil ich schnell „zu mache“ wenn Leute in meiner Gegenwart so „supergut“ drauf bis überdreht sind. Zum Glück fordert mich aber keiner auf, doch auch mal etwas lockerer zu sein. Spätestens da wäre endgültig Schluss…

Küste von Tapia de Casariego
Küste von Tapia de Casariego

Wahrscheinlich verdanken wir einem unglaublich starken Gegenwind, dass wir bei unserer Herberge in Tapia de Casariego doch trocken eintreffen (→ SV).
Davor steht auch das leuchtend gelbe Pendelmobil, aber auch in dem Gebäude, das sich direkt an der Steilküste befindet, sind bereits so einige bekannte Gesichter. Darunter auch Tomasz und Sara. Vor dem Gebäude steht ein Trupp von vier jungen Spaniern, die mir schon seit einigen Tagen durch ihre chronische Partylaune auffallen. Bereits vor zwei Tagen, ich verließ gerade die Herberge, löste sich plötzlich einer von ihnen aus der Gruppe und forderte mich mit erhobener Hand dazu auf, zum Abschied einzuschlagen. Wenn man sich zuvor nur flüchtig gesehen und noch kein Wort gewechselt hat, wirkt das schon etwas suspekt.
Und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich immer wieder, wenn sie mich sehen, sofort zu ihrem Gesprächsthema werde – nicht unbedingt zu meinen Gunsten. Ich bemerke, dass einer zu mir rüber sieht, den anderen etwas sagt, dann dreht sich einer nach dem anderen um und sie amüsieren sich. Man muss nicht unbedingt ein schwaches Selbstbewusstsein haben, um das als unangenehm zu empfinden.
Nachdem wir uns alle ein Bett organisiert haben, ziehen wir mit 12 Leuten gemeinsam zu einem nahe gelegenen Restaurant und machen uns eine lange Tafel klar.
Die allgemeine Stimmung ist angeregt und ausgelassen – dies stellt aber nach wie vor einen Kontrast zu der meinen dar. Also verlasse ich nach dem Essen die Tafelrunde für eine Weile und drehe eine Runde durch die kleine Stadt, die aufgrund einer Fiesta ebenfalls in Partylaune ist.
Es ist irgendwie nicht mein Tag.
Kurz nachdem ich zurück bin, brechen wir auf, und es wird beschlossen, an der Fiesta teilzunehmen. Ich überwinde mich und komme mit. Aber da ich mich auch weiterhin nicht von der Stimmung anstecken lasse, sehe ich zu, dass ich zurück zur Herberge komme. Dabei entdecke ich Tomasz und Sara, die sich das Treiben von außen ansehen. Sie sitzen in einem Treppenaufgang und ich geselle mich dazu. Wir wechseln ein paar Worte, und dann setze ich meinen Heimweg fort.
Dummerweise ist die Tür unserer Unterkunft aber verschlossen, und trotz der fortgeschrittenen Stunde noch niemand im Gebäude. Dieser Camino ist irgendwie doch etwas anders als der letzte.
Ich gehe zu Antoine, der auch gerade zu seinem Mobil zurückgekehrt ist, und erzähle ihm von meinem Problem. Er kommt mit mir zur Tür und meint, dass viele Herbergen in solchen Fällen den Schlüssel in der Nähe der Tür zurücklegen. Er hat Recht.
Also verziehe ich mich in mein Bett und liege noch eine ganze Weile wach allein in dem Schlafsaal.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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