Camino Nordfrankreich (Tag 05)

 

Châtenois → Kaysersberg


 → 28 Kilometer
↑ 216 Meter

Mittwoch, der 18.07.2012

 

Châtenois
Châtenois

Es ist 8:15 Uhr und vom Haus ist weit und breit niemand zu entdecken. Da heute wohl gute 30 km anstehen, würde ich doch gern langsam mal aufbrechen. Aber ich muss noch bezahlen!
Gut, dann werde ich die Zeit einfach schon mal nutzen und mich auf die Suche nach einem Frühstück machen.
Nur kurze Zeit später sitze ich vor einem Café (→ SV), und vor mir liegt ein frisches, sehr gut belegtes Baguette, und der Café au Lait dazu ist der bislang beste, den ich auf dieser Strecke hatte. Die Sonne ist schon jetzt so kräftig, dass ich die Dame vom Café bitte, die Markise etwas weiter auszufahren. Ich werde heute sehr wahrscheinlich noch lange genug schattenfrei unterwegs sein. Und meine Haut hat mir den Tag gestern bereits leicht übel genommen! Sie ist zwar nicht knallrot, aber ein wenig spannt sie schon.
Nachdem ich fertig bin, wechsle ich nur kurz die Straßenseite und suche die dort liegende Touri-Info auf. Vielleicht haben die ja wieder ein paar gute Tipps für mich.
Die junge Frau hinter dem Tresen stellt sich abermals als sehr hilfsbereit heraus. Sie kann zwar kein Deutsch, aber wir finden auch so heraus, dass es auf den nächsten 30 km nicht wirklich gut für mich aussieht. In dem Katalog, den wir zusammen wälzen, sehe ich nur, dass man hier auch ohne Probleme dreistellige Beträge für eine Nacht loswerden kann. Und wenn man bedenkt, dass das hier eine rein ländliche Gegend ist, finde ich das schon ziemlich erstaunlich. Tja, dann muss ich wohl mal wieder Schicksal spielen. Während wir noch in einigen Prospekten stöbern, betritt ein älterer Franzose das Office. Ich verstehe von dem, was er die Frau fragt, nur so etwas wie Credenciale und Compostelle. Es stellt sich heraus, dass er einen Pilgerstempel als Souvenir in sein Heft haben möchte. Sie klärt ihn darüber auf, dass sie nur den Stempel mit den Daten dieses Büros hat. Als er wieder weg ist, frage auch ich sie danach und lege ihr meinen Pass vor. Und als sie gerade den langweiligen Abdruck hineinsetzen will, erinnert sie sich, dass es da doch irgendwo noch einen Camino-Stempel gibt. Und nachdem sie einige Schubladen durchforstet hat, wird sie fündig und fügt ganz stolz das Abbild einer Jakobsmuschel zu meiner Sammlung hinzu.
Es ist inzwischen kurz vor 10:00 Uhr, als ich wieder bei der Herberge eintreffe. Das Büro ist immer noch dicht. Also beschließe ich, einen Zettel mit meiner Mail-Adresse in den Briefkasten zu werfen. In dem Augenblick taucht eine Frau auf. Sie kann zwar nicht wirklich weiterhelfen. Aber sie holt einen Mann von draußen herein, der sich dann der Abrechnung annimmt. zu weiteren Unterkünften hat auch er leider keinen Tipp für mich.

Tankstelle
Tankstelle

Um Punkt 10:00 Uhr verlasse ich dann endlich den Ort und passiere die Stelle, an der ich gestern am späten Nachmittag mein Picknick hatte.
Es ist keine Wolke mehr am Himmel und auch ansonsten gibt es hier absolut nichts, was meine etwas angebrannte Haut schonen würde. Vor 3 Tagen hätte ich noch nicht gedacht, dass ich mich so schnell nach Schatten sehnen würde! Ich hole mein Microfaser-Handtuch aus dem Rucksack und spanne es der Länge nach zwischen meiner Mütze und dem unteren Rucksackgurt ein, so, dass sich durch den “Geh-Wind” eine Art Segel bildet, dass mir recht effektiv Schatten bietet.

Gegen 13:30 Uhr treffe ich in Ribeauville ein. Ein weiteres sehr malerisches Städtchen, das sich wieder durch unzählige Fachwerkhäuser sowie ein paar Türme und Tore auszeichnet. Aber vor allem soll es einer der bedeutendsten Weinorte im Elsass sein. Irgendwann muss ich mir natürlich auch mal ein Glas gönnen. Jetzt soll es allerdings doch noch mal ein Bier sein.
Ich ziehe noch eine ganze Weile durch die ziemlich lange Fußgängerzone. Und erst als ich die Stadt fast wieder verlasse, entdecke ich eine Bar, die nicht mehr ganz so touristisch zu sein scheint. Ich bestelle bei der Dame hinter dem Tresen ein großes Bier. Daraufhin hält sie mir fragend zwei in Frage kommende Glasgrößen entgegen. Ich zeige auf das Größere und freue mich kurz darauf über einen halben Liter pure Erfrischung!
Dieser Ort ist eindeutig populärer als die vorangegangen. Das Office de Tourisme (→ SV) ist nicht nur um einiges größer sondern vor allem auch voller. Trotzdem nimmt sich die junge Frau auch hier voller Geduld und Engagement meiner an und macht sich auf die Suche nach einer Bleibe. Sie erinnert sich, dass es da sogar irgendwo eine entsprechende Liste gibt. Sie verschwindet für einige Zeit und kommt mit zwei Adressen wieder. Die eine stellt sich aber als geschlossen heraus. Bei der anderen handelt es sich um ein Hotel, dass Pilger zu Sondertarifen aufnimmt. Was das genau heißt, kann sie mir leider nicht sagen. Und da sie bereits zwei Anrufe in die Warteschleife gedrückt hat. Gebe ich mich damit zufrieden und ziehe ein drittes Mal die Fußgängerzone lang. Dabei fällt mir erst jetzt auf, dass auch hier der Weg mit den Metallmuscheln im Boden markiert ist.
Unterwegs hole ich mir noch ein mit Käse überbackenes Baguette, und dann verlasse ich Ribeauville wieder.

Riquewihr
Riquewihr

Es ist bereits später Nachmittag und mein erklärtes Ziel nicht mehr allzu weit entfernt, da komme ich an Riquewihr vorbei. Einem laut Wanderführer sehr malerischen Ort mit vielen alten Fachwerkhäusern aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Also biege ich nach links ab und durchschreite das alte Stadttor. Gleich dahinter tummeln sich Scharen von Touristen, deren Gesichter man nur selten zu sehen bekommt, da sie fast alle chronisch eine Kamera davor halten. Ich gebe auch kein wirklich anderes Bild ab. Das ist aber auch wirklich alles sehr schick hier! Obgleich ich so langsam eine Fachwerküberdosis fürchte. Noch mehr Sorgen macht mir allerdings die erbarmungslose Sonne! Ich bin fortwährend damit beschäftigt, mit meinem Handtuch noch mehr Schatten zu gewinnen, was aber bei dem aktuellen Winkel der Sonne fast aussichtslos ist.

Gegen 18:00 Uhr treffe ich in Kaysersberg ein. Da ich nur den Namen des Hotels bekommen habe, steuere ich die örtliche Information an (→ SV) . Es folgt ein kurzes Telefonat und die Bestätigung, dass man mich dort erwarten würde. Sie gibt mir eine Karte mit der Wegbeschreibung und wenige Minuten später stehe ich vor der Rezeption. 25,- € zahlt hier ein Pilger fürs Zimmer (→ SV). Etwas günstigeres werde ich wohl kaum bekommen.
Sie fragt mich, ob ich auch frühstücken wolle. Es gibt hier für 9,- € ein Buffet. “Nein. Vielen Dank!”
Wir können Ihnen für 4,- € auch etwas fertig machen.
Das wäre dann wahrscheinlich Brot und Marmelade!?
Ja.
Das ist sehr nett. Aber ich brauche ich doch eher etwas Herzhaftes.
Kein Problem. Wir können Ihnen auch gern Brote mit Wurst und Käse fertig machen.” bietet sie mir mit einem freundlichen Lächeln an. Ok. Mal abgesehen davon, dass das ein sehr gutes Angebot ist, bin ich so gerührt von der Gastfreundschaft, dass ich das annehmen muss!
Und so tippt sie meine Daten in den PC und führt mich dann wieder zur Tür hinaus zu einem separaten Eingang. Am Ende eines langen Korridors öffnet sie mir ein klassisches, gut eingerichtetes Hotelzimmer.
Das alles, also auch der Flur, von dem auch das Bad abgeht, gehört mir. Außerdem gibt es hier noch einen kostenlosen W-Lan-Zugang. Großartig!
Ich dusche und verpasse auch meinen Klamotten eine Handwäsche. Es ist doch immer wieder beeindruckend, was man selbst mit dieser einfachen Methode so an “Brühe” aus den Stoffen wringt!
Danach ziehe ich noch mal ins Zentrum, um etwas essen zu gehen. Als Erstes inspiziere ich eine Empfehlung der Dame vom Hotel und erkenne, dass diese wohl eher etwas für ihre klassischen Gäste ist.
Aber nur kurz darauf sitze ich draußen vor einem Flammkuchen-Restaurant – als bislang einziger Gast. Ich genieße zu meinem Essen ein Bier – noch mal das “ganz große” und bestelle mir im Anschluss den längst fälligen Wein.
Die Abenddämmerung hat schon eingesetzt, als ich das Geburtshaus von Albert Schweizer aufsuche. Es macht erstaunlicherweise einen sehr unscheinbaren und verwahrlosten Eindruck, im Gegensatz zum angeschlossenen Museum, das recht groß und gepflegt ist.
Als es komplett dunkel ist, fange ich noch ein paar Bilder von einigen angestrahlten Häusern ein und ziehe mich dann auf mein Zimmer zurück.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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