Camino Nordfrankreich (Tag 23)

 

Moroges → Saint-Gengoux-le-national


 → 19 Kilometer
↑ 184 Meter

Sonntag, der 05.08.2012

 

bei Moroges
bei Moroges

Offenbar ist das gestrige Gespräch zwischen mir und dem anderen Gast bis zum Hausherrn durchgedrungen, denn als ich gerade dabei bin, meine Sachen zu packen, ruft dieser mich von draußen ans Fenster und fragt mich, ob ich auch etwas frühstücken möchte. Bei dem doch recht hohen Niveau dieses Anwesens frage ich ihn vorsichtshalber, was mich das denn kosten würde. Er antwortet: „12,- Euro.“
Ich sage ihm, dass ich es mir überlegen würde. Dabei bin ich mir sicher, dass mir das schlichtweg zu teuer ist! Sicher ist es eine Überlegung wert, wenn ich an die dünne Infrastruktur heute denke, aber 12,- € sind einfach mal das Drei- bis Vierfache, von dem, was ich normalerweise für ein Frühstück ausgebe und paradoxerweise auch mehr als ich für die ganze Nacht bezahlt habe. Und außerdem hoffe ich ja noch auf die Boulangerie im Ort.
Als ich startklar bin, gehe ich noch einmal zum Haupthaus rüber, um mich zu verabschieden und auch noch mal meine Wasserflaschen zu füllen. Dabei passiere ich das Esszimmer, in dem gerade die anderen Gäste am Frühstückstisch sitzen. Alles ist sehr stilvoll eingerichtet und im Hintergrund läuft klassische Musik. Ich verabschiede mich gerade von allen, da fragt mich der Gastgeber, ob ich denn zumindest noch einen Kaffee trinken möchte. Ok. Den sollte ich mir dann doch gönnen, denn einen anderen wird es heute sehr wahrscheinlich nicht mehr geben! Also nehme ich das Angebot dankend an und geselle mich noch mal zu den anderen an den Tisch. Der Vater interviewt mich zu meinem Weg, und auch seine Frau, die nur französisch spricht, stellt einige Fragen und ihr Mann übersetzt.
Immer wieder bieten Sie mir etwas vom Frühstück an. Aber das anzunehmen, wäre mir doch etwas unangenehm, nachdem ich das Angebot vom Gastgeber bereits ausgeschlagen hatte. Sie bieten mir sogar an, mich offiziell einzuladen. Aber auch dabei fühle ich mich nicht wirklich wohl und lehne dankend ab. Außerdem ist es langsam an der Zeit, aufzubrechen.
Ich laufe wieder ein Stück des gestrigen Weges, zurück in den Ortskern zur Boulangerie, auf der jetzt all meine Hoffnungen liegen. Denn alles, was ich jetzt noch an Proviant dabei habe, sind drei oder vier Schokocroissants.
Immerhin hat der Laden schon mal geöffnet, und hinter der jungen Frau am Tresen entdecke ich genau zwei Sorten Brot: klassische Baguettes sowie Meterbrote. Also lasse ich mir eines der Baguettes geben und wähle zudem noch, paradoxerweise, eines der in der Vitrine liegenden Schokocroissants. Mir ist halt mal wieder nach einer frischen Variante! Und etwas anderes gibt es hier einfach nicht!
Ich habe das Baguette schon seit einiger Zeit vernichtet und bin gerade auf einem kleinen asphaltierten Wirtschaftsweg unterwegs, als von hinten ein kleiner Kastenwagen kommt und neben mir anhält. Der Fahrer, ein Mann um die 70, spricht mich an. Da er dies auf Französisch tut, kann ich wieder mal nur erraten, was er von mir wissen möchte. Irgendetwas mit Übernachtung. Für einen Augenblick vermute/hoffe ich, er möchte mir eine Unterkunft für die nächste Nacht anbieten. Aber es stellt sich heraus, dass er wohl viel mehr wissen möchte, bei wem ich letzte Nacht untergekommen bin. Dann stellt er offenbar noch einige Fragen zu meiner Herkunft und der Wanderung und zieht dann weiter.
Nur kurze Zeit später verlässt ein Bauer seinen Traktor und kommt zu mir herüber, um mich ebenfalls zum Camino zu interviewen. Erstaunlich! So spartanisch die Infrastruktur auch ist und so wenig Pilger hier unterwegs sind. Die Anwohner zeigen wirklich ein sehr großes Interesse. Und so dauert es nicht lange, dass mich abermals ein Paar mittleren Alters anspricht. Ich meine, aus ihrer Erzählung heraus zu verstehen, dass sie vor kurzem schon zwei Pilgerinnen begegnet sind. Na, wenn das mal nicht Renate und Nadja gewesen sind.
Und tatsächlich sehe ich nach einiger Zeit in einiger Entfernung vor mir zwei vertraute Gestalten mit Rucksack marschieren.

Statue bei Saint-Vallerin
Statue bei Saint-Vallerin

Als ich dabei bin, die Beiden einzuholen, starten sie gerade eine kleine Pause und ich geselle mich dazu. Es stellt sich heraus, dass wir für heute das selbe Ziel haben. Allerdings haben die Zwei, im Gegensatz zu mir, alle ihre Unterkünfte bereits vor Reiseantritt gebucht und haben damit auch die Übernachtungsstätte für heute bereits sicher. Aber sie bieten mir an, dort mal anzufragen, ob auch für mich noch etwas frei ist.
Wir ziehen eine ganze Zeit gemeinsam weiter und machen auch noch mal zusammen Rast. Währenddessen geben sie mir eines von ihren belegten Broten ab.
Da ich doch ein etwas anderes Tempo laufe, ziehe ich noch mal für eine Zeit voraus.
Am Ortseingang von Cluny lasse ich die Damen wieder aufholen, damit wir gemeinsam deren Unterkunft ansteuern können. Es stellt sich heraus, dass auch ich hier ohne Probleme für heute unterkommen kann, allerdings für recht beachtliche 35,- €. Dafür bekomme ich allerdings auch ein Zimmer, das sich echt sehen lassen kann! Die Räumlichkeiten mit eigenem Bad sind sehr geschmackvoll eingerichtet und befinden sich in einer Villa mit großem Garten am Ortsrand.
Nachdem ich mich häuslich niedergelassen und geduscht habe, ziehe ich nochmal in die in den Ortskern, um mein heutiges Defizit an Einkehr nachzuholen. Ich lasse mich vor einer Bar (→ SV) nieder und genieße nacheinander einen Café au Lait sowie ein Bier. Binnen weniger Minuten wechselt die Markise, unter der ich sitze, auf dramatische Weise ihre Funktion: Während sie mich bis eben noch vor der Sonne geschützt hat, hält sie von einer Minute auf die andere einen wirklich massiven Wolkenbruch ab!
Für einige Zeit genieße ich es noch, so geschützt dazusitzen. Aber da der Regen irgendwie nicht weniger wird, muss ich mir doch langsam Gedanken über meinen Rückweg zur Gîte machen, denn die beiden Frauen und ich hatten beschlossen, heute Abend noch essen zu gehen.
Und während ich am Rande der Markise stehe und versuche, mich zum Aufbruch zu überwinden, reicht mir plötzlich der Wirt einen Schirm!
Noch auf dem Rückweg kommen mir Nadja und Renate bereits entgegen. Wir suchen gemeinsam eine Pizzeria auf, was mir sehr gelegen kommt, denn mir ist auch mal wieder nach Pizza. Dummerweise stellt sich aber heraus, dass dem Restaurant der Teig zwischenzeitlich ausgegangen ist. Also disponieren wir alle auf ein 3-Gänge-Menü um. Meines startet mit einem sehr leckeren Salat. Das Hauptmenü besteht origineller Weise mal aus Miesmuscheln und zum Nachtisch folgt noch ein Apfelkuchen.
Im Anschluss schlagen die Beiden mir noch ein kleines Kennenlernspiel vor, was sich aber letztendlich als reines Interview zu meiner Person herausstellt. Aber von mir aus.

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