Camino via Podiensis (Tag 25)

 

Haget → Dubarry


 → 21,5 Kilometer
↑ 28 Meter

Samstag, der 31.07.2010

 

vor Nogaro
vor Nogaro

Aus naheliegenden Gründen stehen wir erst gegen 9:00 Uhr auf, eine Zeit, zu der wir sonst bereits gut eine Stunde unterwegs sind. Dementsprechend sind wir dann auch die Letzten, die diese wunderbare Gité schweren Herzens verlassen. Nur das weiterhin sommerliche Wetter macht uns den Aufbruch etwas leichter.
Da wir mit dieser Unterkunft die gestrige Etappe um gute 7 km verkürzt hatten, kommen diese logischerweise zur heutigen Strecke dazu. Oder auch nicht. Denn nach wie vor habe ich mehr Zeit, als ich voraussichtlich benötige. Es spricht also nichts dagegen, auch heute früher als vorgesehen irgendwo einzukehren. Für Steffi hingegen steigt mit unterdurchschnittlichen Distanzen die Gefahr, den Anschluss an Andreas in St. Jean-Pied-de-Port zu verpassen. Und immerhin beginnt von dort noch mal ein ganzer Camino. Genaugenommen der Camino überhaupt. Da wäre es sicherlich sehr nett, einen vertrauten Weggefährten an seiner Seite zu haben. Obwohl ich ja denke, dass man gerade auf dem Abschnitt eher offen für neue Bekanntschaften sein sollte.
Hier hingegen stellt sich seit einiger Zeit heraus, dass ich ohne Steffi an meiner Seite zumindest recht langweilige Nachmittage verleben würde – wenn man mal von dem gestrigen Abend absieht. Aber ansonsten ist hier auf dem letzten Teil des Camino via Podiensis so gut wie nichts mehr los.

Nogaro
Nogaro

Die besagten 7 km nach Nogaro laufen wir mal zusammen und zwischendurch auch immer wieder in einigem Abstand. Als wir die Stadt, die für ihre Autorennstrecke bekannt ist, erreichen, stellen wir noch einmal fest, was für ein Glück wir mit unserer letzten Unterkunft hatten. Was nicht heißt, dass diese kleine Stadt unsympathisch wäre, aber mit dem idyllischen Anwesen in Haget kann halt so schnell nichts mithalten. Dafür gibt es jetzt hier umso mehr Cafés und damit auch unser Frühstück (→ SV). Außerdem decken wir uns noch in einem Supermarkt mit dem üblichen Proviant ein.

Bei gefühlten 40°C verlassen wir die Stadt und sind bald wieder nur noch von Bäumen und Feldern umgeben. Ich überlasse Steffi für einige Zeit meinen MP3-Stick. Ein sehr gewagtes Unterfangen, da sich darauf durchaus einige musikalische Abgründe befinden, mit denen unter Umständen nur ich umgehen kann. Aber es dauert verdächtig lange, ehe sie mir das Gerät wieder zurückgibt.
Zwischendurch kommen wir an einer anscheinend sehr netten aber offenbar noch geschlossenen Herberge vorbei. Kurz darauf lädt uns das schattenspendende Vordach einer kleinen Kirche zu einer weiteren Pause ein.
Nach insgesamt 20 km, anstatt der ursprünglichen 37, weist uns mein Wanderführer auf eine gut 500 Meter abseits des Weges gelegen Gité hin. Wir gehen diesem Hinweis nach. Als wir aber sehen, wie abgelegen und unscheinbar das Gebäude liegt (→ SV), macht sich bei uns doch etwas Skepsis breit. Trotzdem wagen wir einen Blick ins Innere dieses Anwesens. Und binnen weniger Sekunden sind wir verliebt! Die Unterkunft der letzten Nacht scheint sich doch nochmal toppen zu lassen!
Wir werden von einem sehr freundlichen Franzosen zunächst in einen großzügigen aber auch gemütlichen Aufenthalts- und Essraum geführt, der nahtlos in die Küche übergeht. Die Wände sind teils aus Lehm teils weiß verputzt. Der Boden ist gefliest und alles macht einen sehr gepflegten und wohnlichen Eindruck. Dann geleitet er uns in unseren Schlafraum. Und wir können unser Glück kaum fassen: Wir betreten ein Zimmer in dem nur ein Etagenbett steht. Durch ein Buntglasfenster, wie man es sonst nur aus Kirchen kennt, fällt ein breiter Lichtkegel auf die großen Bodenfliesen. Der Raum ist angenehm kühl. Unsere Beinahe-Sprachlosigkeit vervollständigt sich umgehend, als sich die Frau des Hauses direkt daran macht, unsere Betten frisch zu beziehen. Außerdem weisen uns die Beiden darauf hin, dass uns alles, was wir in der Küche finden frei zur Verfügung steht – auch die Lebensmittel. Und die Krönung des Ganzen ist – obgleich es mich eigentlich nicht mehr überraschen sollte: Es handelt sich mal wieder um eine Spendenherberge!
So etwas wie das hier können, ohne jede Übertreibung, nur sehr wenige als ihr Eigenheim bezeichnen. Und dabei ist es „nur“ eine Pilgerherberge!
Es bedarf keiner Erwähnung mehr, dass auch das Bad, indem ich gleich als nächstes dusche, der reinste Superlativ ist.

würdiger Tagesabschluss
würdiger Tagesabschluss

Anschließend stoßen wir, im Schatten von Bäumen sitzend, vor uns ein toller Blick ins weite Tal, mit einem Bier auf diese unglaublich gelungene Fortsetzung romantischer Herbergen an.
Später bereiten wir uns Spaghetti mit Pesto bzw. Dosenravioli zu, die wir dann draußen im Garten bei einem Glas Rotwein zu uns nehmen. Danach drehen wir noch eine kleine Runde und lassen uns unweit der Gité auf einer Wiese nieder. Wir beobachten die tief stehende Sonne, deren Strahlen sich durch einen vor uns stehenden alten Baum brechen. Wir beschließen, nicht all zu spät wieder zur Herberge zurückzukehren, da hier draußen „dunkel“ mit Sicherheit wörtlich zu nehmen ist! In der Gité angekommen lassen wir uns auf den Liegestühlen im Garten nieder. Im Gegensatz zu den letzten Nächten gibt es heute nicht mal mehr eine Laterne in der Nähe. Und so breitet sich über uns ein Sternenhimmel aus, der den Anblick der letzten Abende in seiner Intensität nochmal toppt. Nur die Anzahl der Sternschnuppen, die wir sehen, ist nicht mehr geworden.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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