Camino Nordfrankreich (Tag 11)

 

Héricourt → Granges-le-Bourg


 → 25 Kilometer
↑ 141 Meter

Dienstag, der 24.07.2012

 

Jungholtz
Einer von Vieren

Der Frühstückstisch, der mich erwartet, ist gedeckt mit lauter herzhaften Zutaten wie Wurst, Käse und Eiern. Die Beiden fragten mich gestern Abend noch, was ich denn frühstücken wolle, und ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich es nicht so mit Marmelade und Honig habe.
Während ich frühstücke, lesen meine Gastgeber die Zeitung. Ich habe den Eindruck, dass sie dies tun, um mich in Ruhe frühstücken zu lassen. Als ich fertig bin, frage ich, ob sie einen Computer mit Internetzugang haben. Sie haben. Und so zeige ich ihnen die Seiten, auf denen die Fotos und Streckenverläufe meiner vorangegangenen Caminos zu sehen sind. Nachdem sie sich eifrig die Adressen aufgeschrieben haben, nutzen Sie die Gelegenheit, auch mir eine Diashow von ihrem großen Camino zu zeigen. Die gesamte Show dauert über 1,5 Stunden, da ich aber ja auch irgendwann mal los muss, brechen wir das ganze nach 20 Minuten ab.
Ich raffe meine Sachen zusammen, und es geht ans Bezahlen. Gestern Abend bestätigten sie mir noch, dass sie für die Nacht mit 25,- € nehmen. Ich überreiche ihm zwei Zwanziger. Daraufhin nimmt er einen der Scheine und drückt ihn mir direkt wieder in die Hand und sagt, dass das so ok sei. Ich freue mich, aber weniger dem Preisnachlass wegen, als vielmehr der Tatsache, dass ich offenbar ein willkommener Gast war. Diesen Eindruck verleiht er kurz darauf noch Nachdruck, indem er mir einen dieser Camino-Wegweiser schenkt, die hier überall an Bäume und Pfeiler montiert sind. Was für ein tolles Souvenir! Draußen vor der Tür bittet sie mich dann noch, ein Foto von mir machen zu dürfen. Als wir damit durch sind, begleitet er mich noch ein Stück durch die Stadt, um mir den kürzesten Zugang zum Camino zu zeigen.
Nachdem wir diesen erreicht haben, verabschieden wir uns, und ich mache mich wieder auf den Weg. In meinem Gepäck befinden sich nun noch zusätzliche Adressen von Unterkünften, sowie Weg-Alternativen, ein hart gekochtes Ei und eine Nektarine.

bei Coisevaux
bei Coisevaux

Das Wetter ist wieder wolkenfrei. Und gegen Mittag sind die Temperaturen wieder so hoch, dass der Asphalt Blasen wirft, die unter meinen Schuhen interessant knistern. Dementsprechend käme mir eine Bar nicht gerade ungelegen. Und tatsächlich taucht irgendwann mitten im nirgendwo ein Gebäude mit Heineken-Außenwerbung auf. Aber als ich dem Haus näher komme, entdecke ich, dass diese Schilder aus vergangenen Zeiten stammen müssen, was mir dann die davor sitzenden Leute dann auch bestätigen. Der nächste Ort hat zwar ein wenig Infrastruktur, aber es ist alles geschlossen. Dafür lungert eine Gruppe Jugendlicher auf einen kleinen Platz. Als zwei von ihnen mich entdecken, lösen sie sich mit ihren Rädern aus der Gruppe und fahren zu mir herüber. Sie fangen an, mich zu umkreisen und mit Fragen auf Französisch zu löchern. Währenddessen laufe ich unbeirrt weiter und versuche ihm zu verstehen zu geben, dass ich kein Wort verstehe. Ich habe das Gefühl, dass sie dabei sind, ihre Grenzen auszuloten. Aber allein schon, weil sie noch relativ jung sind, bleibe ich entspannt. Ich frage sie nach einer Bar. Die darauf folgende Antwort ist das Erste, was ich verstehe, da das Wort fermé (geschlossen) darin vorkommt. Sie löchern mich weiterhin mit Fragen auf Französisch. Als sie endlich verstehen, dass sie bei mir nur mit Deutsch oder Englisch weiterkommen, schießen sie die einzigen 3 Fragen, die sie auf Englisch beherrschen ab: How are you? What’s your name? How old are you? Ich beantworte diese geduldig, froh darüber, endlich mal antworten zu können. Während die beiden weiterhin ihre Bahnen um mich ziehen, hält der eine plötzlich eine Wasserflasche in der Hand, wie auch ich sie habe. Es dauert nicht lange, da stelle ich fest: Das ist meine Wasserflasche! Aber auch, wenn das wieder provokant wirkt, scheint es eher eine freundlich gemeinte Geste zu sein, denn ich verstehe, dass sie mich nach etwas mit “Wasser“ fragen. Ich sage einfach mal „Oui.“. Und sie bitten mich, Ihnen zu folgen. Wir kommen schließlich an einen Brunnen, über den sich die beiden noch vor mir her machen und aus ihm trinken. Danach fülle ich erfreut meine Flasche auf, die ich zwischenzeitlich wieder bekommen habe. Die Beiden verabschieden sich von mir und ziehen von dannen, und auch ich verlasse den Ort kurz darauf.
Gegen 17:00 Uhr erreiche ich ein etwas abgelegenes Anwesen, das auf eine offenbar frisch restaurierten Wassermühle sowie einem unscheinbaren Wohnhaus nebst Scheune besteht (→ SV). Ein Aufkleber mit der mir wohlbekannten Muschel auf dem Briefkasten verrät mir, dass ich hier richtig bin.
Der Mann, der kurz darauf die Veranda betritt, heißt mich willkommen, ist allerdings ein wenig darüber verwundert, dass ich nicht von meinen vorherigen Gastgebern angekündigt wurde, wie es sonst üblich ist, damit er sich ein wenig vorbereiten kann.
Kurze Zeit später sitzen wir beide in Gesellschaft eines jungen Hundes, dessen Oma sowie einer trächtigen Siamkatze in seiner Küche bei einem Bier.
Mein Gastgeber erfüllt das Klischee des mürrischen, aber liebenswerten Eigenbrötlers. Allerdings ist er sehr redselig. Und so erzählt er mir buchstäblich seine Lebensgeschichte und von seinen zahlreichen Reisen. Die Sprache, in der das tut, ist etwas schwer zu definieren! Es ist schon tendenziell deutsch, aber in einem sehr starken Dialekt.
Da er auf meinen Besuch ja nicht vorbereitet war, improvisiert er unser Abendessen mit allem, was der Kühlschrank noch so hergibt. Dazu gibt es Rotwein. Der weitere Verlauf des Abends wird dann noch von einigen Mirabellenschnäpsen begleitet.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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