Camino via Podiensis (Tag 14)

 

Saint-Sulpice → Cabrerets


 → 25,5 Kilometer
↑ 164 Meter

Dienstag, der 20.07.2010

 

Saint-Sulpice
Saint-Sulpice

In der Nacht werde ich davon überrascht, wie kühl es hier doch nachts werden kann. Und da so eine Luftmatratze von unten nicht gerade die beste Isolierung bietet, muss ich noch mal Aufstehen und meinen Schlafsack nebst Inlett präparieren. Logischer Weise in völliger Dunkelheit. Die niedrigen Temperaturen waren es auch, die meine Hemmschwelle zum Aufstehen ziemlich ansteigen ließ. Und so ist es bereits 8:45 Uhr als ich aufstehe und kurz vor 10 Uhr als ich den Ort verlasse.
Die Landschaft ist weiterhin geprägt durch die senkrechten, hellen Felswände, viel Natur und das mediterrane Klima.
Nach einigen Kilometern erreiche ich Marcilhac-sur-Célé. In diesem kleinen Ort erlebe ich das, was man in Europa kaum noch findet: eine malerische Kulisse, die aber noch nicht vom Tourismus geprägt ist. Auf den Straßen gehen offenbar ausschließlich Einwohner ihren Erledigungen nach, und auch ich mache mich auf die Suche nach einer Einkehrmöglichkeit fürs Frühstück. Ich werde fündig und lasse mich auf einer sehr gemütlichen Terrasse eines Restaurants nieder. Am Nachbartisch sitzt ein französischer Radfahrer, der mich nach meiner Herkunft fragt. Daraufhin versucht er, mit seinen wenigen Worten Deutsch weiterzumachen, und interviewt mich zu meinem Weg. Das Meiste von dem, was ich ihm berichte, übersetzt er für einen weiteren Mann, der an einem anderen Tisch sitzt, sowie für die Wirtin, die immer wieder mal herauskommt.

Saint-Sulpice
Saint-Sulpice

3Die nächsten Kilometer sind absolut menschenleer. Es gibt nicht mal irgendwelche Anwesen an denen man vorbeikommt. Keine Bauern. Nichts und niemanden. Das Einzige, das mich durchgehend begleitet, ist das laute Zirpen der Zikaden.
Als vor mir ein weiterer bereits erwarteter Ort im Tal auftaucht, gibt es plötzlich keine Wegweiser mehr. Die Beschreibung im Buch für diese Stelle ist leider auch etwas widersprüchlich. Einerseits geht daraus hervor, dass man noch vor dem Erreichen des Ortes nach rechts abbiegen soll, aber guckt man auf die Karte, scheint der Weg durch ihn hindurchzuführen. Also beschließe ich, mich ins Tal zu begeben. Zumindest werde ich da ja wohl etwas in Erfahrung bringen können. Sollte man meinen…
Aber es gibt weder Hinweise noch jemanden, der Bescheid weiß. Also wieder zurück nach oben an den Ausgangspunkt und die andere Möglichkeit ausprobieren. Und das alles, wo der heutige Weg mit seinen 30 km ohnehin schon nicht wirklich kurz ist! Und als ich endlich eine Frau treffe, die mir die Korrektheit meiner Richtung bestätigt, entdecke ich auch wieder eine rot/weiße Markierung.

bei Sauliac-sur-Célé
bei Sauliac-sur-Célé

Auf den nun noch verbleibenden 10 km treffe ich wieder auf keinen einzigen Menschen. Und das ewige Auf und Ab fängt auch langsam an, mich etwas mürbe zu machen. Zumal man hier an keiner Stelle von irgendwelchen Ausblicken belohnt wird. Ich marschiere die ganze Zeit nur noch über Schotterpisten und nicht befahrene Straßen. Es ist inzwischen 15:40 Uhr als vor mir Cabrerets auftaucht. Dies könnte meine heutige Endstation sein. Da es hier aber gerade mal 10 Betten geben soll, bin ich mir da noch nicht so sicher. In jedem Fall kann sich auch dieser Ort wieder sehen lassen. Er liegt an einem idyllischen Fluss und ist ebenfalls von Felswänden umgeben. Von einer Gîte ist aber bislang nicht viel zu sehen. Das Einzige, was ich finde ist eine Touristeninformation, die aber geschlossen ist – und zwar Dauerhaft! Auch, wenn sie so aussieht, als würde sie jeden Augenblick aufmachen, so steht doch da auf dem Zettel in der Tür, dass man seine Auskünfte jetzt 2 Km weiter bekommt. Das alles verstehe ich, weil die Schweizerin in diesem Augenblick aufgetaucht ist und mich darüber informiert. Sie selbst muss noch ein wenig weiter, da sie morgen vom nächsten Ort aus abreisen wird. Da sie dafür ebenfalls noch einige Infos benötigt, gehen wir beide in das direkt neben uns befindliche Rathaus. Hier erfahre ich, dass die Herberge genau gegenüber sein soll. Die Schweizerin braucht noch etwas länger, und so verabschiede ich mich von ihr und steuere die Unterkunft an. Sie liegt etwas versteckt hinter den Häusern an der Straße (→ SV). Die Tür ist offen aber anscheinend ist niemand da. In der großzügigen Empfangshalle liegt ein Gästebuch und an zwei Schlafraum-Türen hängen Zettel mit Reservierungen. Eine dritte Tür steht offen und ist frei von irgendwelchen Einträgen. So wie es aussieht, könnte das mein Schlafzimmer für diese Nacht sein – bislang nur für mich.
Ich lasse mich auf einem Bett unter einer der Dachschrägen nieder und trage mich dann in das Gästebuch ein. Das ganze Haus ist sehr nett und großzügig hergerichtet.
Ich mache mich auf zu einem der Hotels, die auch über Restaurants verfügen. Eines davon hat sogar bereits geöffnet. Allerdings bin ich der einzige Gast. Ich lasse mich an einem der Tische auf der oberhalb des Flussufers gelegenen Terrasse nieder. Als Sandwich bekomme ich ein sehr herzhaft belegtes Graubrot. Dazu gibt’s ein Bier.
Wieder zurück in der Herberge hat sich an deren Situation nicht viel geändert. Aber als ich Stimmen aus der Küche höre und diese betrete, treffe ich auf eine Frau mit ihren beiden sehr jungen Töchtern. Ich schätze die Mädchen auf höchstens 15 Jahre. Die Familie ist gerade dabei zu essen. Die Mutter erzählt mir, dass sie jedes Jahr immer für ca. 8 Tage einen kleinen Abschnitt des Caminos machen. Außerdem erfahre ich von ihr, dass die Situation mit den vorab ausreservierten Herbergen nur durch eine einzelne Reisegruppe verursacht wird. Aber nun sollen diese Leute eine Etappe hinter uns sein. Als die Familie mit dem essen fertig ist, bieten sie mir den umfangreichen Rest an Kartoffelpüree an. Es gibt zwar durchaus Verlockenderes als gestampfte Kartoffeln ohne alles, aber bevor ich wieder mit Schweiß auf der Stirn vor einem französischen Menü eines Hotelrestaurants sitze…
Und diese sehr Gebissträger-freundliche Mahlzeit schmeckt weniger farblos, als ich befürchtet hatte. Außerdem macht sie ganz schön satt!
Anschließenden mache ich noch einen kleinen Verdauungsspaziergang an den Fluss.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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