San Esteban de Pravia → Soto de Luiña
→ 24 Kilometer
↑ 172 Meter
Sonntag, der 12.07.2009
Es gibt zwei Möglichkeiten, San Esteban zu verlassen: entweder regulär über das Landesinnere oder über einen kleinen Umweg direkt an der Steilküste entlang. Natürlich entscheide ich mich für die attraktivere Variante. Da sich der Ort auf Meereshöhe befindet, muss ich ziemlich bald eine stattliche Treppe erklimmen.
Gut außer Puste gekommen erwartet mich oben der Duft eines Eukalyptuswaldes.
Die bizarre Küstenlandschaft erweist sich wirklich als sehr attraktiv und da der Standardweg heute nur runde 18 km beträgt, steht auch noch ein weiterer kleiner Umweg über Cudillero an. Diese sehr nette kleine Hafenstadt, war laut Wanderführer einst mal Bestandteil des Caminos, wurde aber, wohl des Umweges wegen, rausgenommen – sehr zum Verdruss der dortigen Anwohner.
Am Ortseingang treffe ich auf die drei jungen Spanierinnen, die ebenfalls in der letzten Nacht in unserem Zimmer untergekommen waren.
Ich kehre in die erste Bar auf dem Weg zum Hafen ein und genieße auf deren Terrasse zwei Bocadillos und einen Kaffee (→ SV). Einen zweiten gönne ich mir dann kurze Zeit später noch mal direkt am kleinen Hafenbecken (→ SV).
Da die Strecke mit den beiden Umwegen gerade mal auf runde 20 km kommt, sehe ich den heutigen Tag einfach mal als eine Art Pause und lasse mir Zeit. Manchmal entgeht es mir dann doch, dass der Camino ja eigentlich kein Hotel ist.
Aber in so malerischen Orten wie diesen müsste man schon wirklich die Augen schließen, damit einem das wieder bewusst wird.
Aber meine Lektion lässt nicht lange auf sich warten: Als ich Cudillero schon wieder eine Zeit lang hinter mir habe, komme ich an eine Fernstraße, an deren Halbkreuzung, über die ich eintreffe, noch ein gelber Pfeil nach links weist und dann war‘s das. In meinem Buch steht, dass es hier demnächst auf der anderen Seite der Straße weiter gehen soll, aber da befindet sich nur eine große und gesperrte Baustelle.
Ich laufe die Straße ein ganzes Stück auf und ab und beschließe irgendwann völlig ratlos, mir einen Weg über das Bauareal zu suchen. Das scheint mir das einzig Sinnvolle. Aber außer immer wieder auftauchenden „Betreten verboten“- Schildern und riesigen Baumaschinen entdecke ich hier nichts auf dieser breiten Sandschneise, die offenbar mal eine Autobahn werden soll. Diese Piste führt über einen Berg, und auf der anderen Seite stehe ich plötzlich vor einem weiten Tal in dem bereits zwei gigantische Betonpfeiler platziert wurden, über die das ganze hier offenbar einst mindestens Nordspanien überbrücken soll. Eine andere Landstraße, vermutlich die, auf der ich vorhin noch selbst unterwegs war, zieht sich ebenfalls auf hohen Stelzen durch die Landschaft – nur tut sie dies weit unter mir. Ich bin buchstäblich am Ende. Was soll‘s!? Vielleicht gibt es ja doch noch einen Weg den vor mir liegenden steilen Hang hinunter. Und tatsächlich schlängelt sich hier eine Sandpiste hinab.
Immer wieder stoße ich auf die runden Schilder mit dem durchgestrichenen Fußgänger. Als ich endlich unten ankomme, erreiche ich einen hohen Bauzaun, der parallel zur besagten Landstraße verläuft. Und dann traue ich meinen Augen nicht. An diesem Zaun prangt ein großes Schild mit der Aufschrift „Camino Santiago“ und weist nach rechts dem Zaun entlang. Nur wenige Meter weiter ist meine Verblüffung dann komplett: Hier zeigt ein weiteres Schild in eine kleine Unterführung. Die Aufschrift wörtlich: „Provisorisch Richtung Camino de Santiago“. Wahrscheinlich sind nur Deutsche aufgrund ihres Wanderführers bekloppt genug sich bis hier hin durchzuschlagen.
Wie dem auch sei. Ich bin wieder „online“. Auf der anderen Seite des Tunnels hängt für die Gegenrichtung wieder ein „Betreten verboten“-Schild.
Ich fühle mich gerade wieder „heimisch“, da hat jemand auf einem Monolithen, der eigentlich nach links zeigt, mit einem Stein einen Pfeil nach rechts gekratzt. Da das hier alles nagelneu ist, halte ich das einfach mal für ein Update und gehe das Risiko ein, den regulären Hinweis zu ignorieren. Dies stellt sich als richtige Entscheidung heraus. Nur wenige Kilometer weiter erreiche ich mein Etappenziel: Soto de Luiña (→ SV).
Die Herberge ist hier wieder mal in einer Schule untergebracht . Ich bin fast der Erste. Fast. René & Co. haben sich bereits häuslich niedergelassen. Er berichtet mir von deren Odyssee hierher, die allerdings nicht über die Baustelle führte, wohl aber nicht minder abenteuerlich war. Außerdem erfahre ich von ihm, dass ich den Stempel hier in der Bar bekomme, die sich in der Ortsmitte befindet. Also mache ich mich auf den Weg dahin. Iris und Co. baten mich gestern, für sie je ein Bett zu reservieren, so ich denn früher als sie ankommen würde. Nun ist von denen zwar noch niemand zu sehen, aber da es noch genügend Betten gibt und ich vom „Reservieren“ auch nicht viel halte, unternehme ich nichts weiter.
In der Bar (→ SV) gibt es einen Internetzugang, der aber so veraltet ist, dass ich wieder nicht dazu komme, endlich meine Halbzeitmail aufzusetzen (die Hälfte der Strecke habe ich inzwischen schon vor einigen Tagen abgehakt). Und auch das sogenannte „große“ Bier wird nur in einem Kölschglas gereicht.
Als ich wieder in der Herberge bin, mache ich mich ans Duschen und Wäsche waschen. In der Zeit treffen auch die drei jungen Spanierinnen ein. Ich liege seit einiger Zeit auf meinem Bett, als mich eine von ihnen fragt, ob ich mit ihnen zum Strand kommen wolle. Positiv überrascht überlege ich, wo denn hier ein Strand sein soll. Und genau da liegt dann auch der Haken: gute 4 km entfernt. Und die drei wollen ein Taxi nehmen. Nö. Dann komme ich eventuell zu Fuß nach.
Als ich später wieder zur Bar ziehe, stehen die Mädels immer noch am Straßenrand und warten offenbar auf ihr Taxi. Davon gibt’s hier wohl nicht so viele.
In der Bar treffe ich dann auf das italienisch-spanisch-österreichische Trio. Und auch die vermeidlichen Strandgängerinnen folgen ziemlich bald. Alle berichten von einem sehr abenteuerlichen Wegverlauf. Aber die Baustelle hatte nur ich.
Später kehren wir vier auf Empfehlung von René ins Restaurant zum Paellaessen ein. Obwohl René dies logischerweise schon hinter sich hat, gesellt er sich zu uns an den Tisch.
Als wir, wohl bemerkt im Regen, zur Herberge zurückkehren, ist diese mit ihren 20 Betten so voll geworden, dass sich inzwischen die ersten Pilger draußen unter dem Vordach häuslich niederlassen.
Mit dabei ist ein junges Mädchen, dass mit seinem kleinen Hund den Camino bestreitet. Sie macht ein wenig den Eindruck, als ob sie es eh bevorzugt, draußen zu schlafen. Sie macht einen eher „alternativen“ Eindruck. Irgendwie hat sie was. Dies entgeht mir nicht – trotz des kaum noch vorhandenen Lichtes. Dafür entgehe ich ihr offenbar vollkommen. Aber wenn wundert‘s!? Mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, aus welchem Land sie kommt, trennen uns in jedem Fall diverse Welten.
(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)