Camino Francés (Tag 07)

 

Estella → Torres del Rio


 → 29,5 Kilometer
↑ 249 Meter

Mittwoch, 07.05.2008

 

hinter Irache
hinter Irache

Man mag es kaum glauben, aber die Nacht im Treppenhaus war die bisher angenehmste. Da die sanitären Anlagen jeweils direkt an die Schlafräume angeschlossen sind, blieb es im Treppenhaus die ganze Nacht still – wahrscheinlich sogar ruhiger als in den Gemächern selbst.
Bei dieser Herberge wird mal wieder ein Frühstück angeboten. Da ich aber die Einnahme von Zwieback mit Marmelade für reine Zeitverschwendung halte, nutze ich die Gelegenheit und bestreiche mein am Vortag erworbenes Baguette mit Margarine und belege es mit der ebenfalls zuvor besorgten Salami.
Man hat Estella kaum verlassen, da passiert man das Kloster Irache (→ SV). Dieses ist vor allem durch seinen Weinbrunnen bekannt (→ SV). Ja, da kommt der Wein aus der Wand. Ist halt der Jakobsweg. Zwar bin ich kein wirklicher Weintrinker, aber das darf auch ich mir natürlich nicht entgehen lassen – selbst morgens um 8:00 Uhr…! Nicht ganz ohne Folgen: Meine stets präsenten, leichten Knieprobleme verlassen mich und mein Orientierungssinn leider ebenfalls. Besser gesagt: meine Aufmerksamkeit. Denn eigentlich braucht man auf dem Camino ja nur den gelben Pfeilen zu folgen. Nachdem ich also eine kurze Ehrenrunde durch eine kleine Wohnsiedlung mache, und an einer Kreuzung ankomme, die ich bereits schon einmal passiert habe, treffe ich auf ein paar weitere, mir bereits bekannte Pilger, die ebenfalls nicht so recht weiter wissen. Kein Wunder: haben doch alle eine Weinprobe hinter und eine Weggabelung vor sich. Hier kann bzw. muss man sich nämlich das erste Mal zwischen zwei Wegvarianten entscheiden. Wir entschließen uns alle, dem rechten Weg zu folgen.
Nur wenige Kilometer weiter, ist bereits die nächste Pause angesagt und es gibt mal wieder einen großartigen Cafe con Leche für nur einen Euro. Für kurze Zeit überlege ich, ob ich die restlichen fünf Wochen nicht einfach hier bleiben und es mir gut gehen lassen sollte.
Im weiteren Verlauf des Weges, den ich zu einem großen Teil mit einer Hamburgerin bestreite, kommt so langsam das schlechte Wetter auf, welches hier schon seit Tagen angekündigt wurde.
Gerade, als der Regen am stärksten ist, steht da plötzlich mitten in der Pampa, ein Londoner mit seinem Wohnmobil, seinem Pilger-Pit-Stop, wie er es nennt, und bietet Kaffee und Tee an – gegen eine kleine Spende versteht sich…
Während die meisten Pilger ihren heutigen Tag in Los Arcos (→ SV) beenden, überlege ich recht lange, auf einer Bank sitzend, ob ich noch weiterlaufen soll. Und nachdem Alexandra bereits an mir vorbeigezogen ist, und nun auch die Hamburgerin zusammen mit einer Frau aus Österreich sich offensichtlich auf den Weg zum nächsten Ort macht, schließe auch ich mich an.
Das Wetter ist inzwischen wieder besser – mein Knie leider nicht ganz so. Trotzdem stellen die nun noch anstehenden gut 8 km kein ernsthaftes Problem da.

Torres del Rio
Torres del Rio

Torres del Río heißt der Ort unserer Begierde, dessen kleine Herberge aber leider längst voll ist. Dafür macht uns Alexandra, die plötzlich aus einem kleinen, dunklen Kellerfenster mit Gitterstäben zu uns spricht, auf das Gebäude aufmerksam, in dem sie bereits untergekommen ist (→ SV). Für das Zimmer im Dachgeschoss dieses Hauses müssen wir zuvor den Wirt der einzigen Bar im Ort fragen. Ihm gehören offensichtlich auch noch der kleine Laden und ein paar weitere Häuser. Außerdem ist er mit Sicherheit auch der Bürgermeister und Dorf-Scheriff in einer Person.
Nachdem sich unser Zimmer als wesentlich netter herausstellt, als das Kellerloch von Alexandra, holen wir diese einfach zu uns.
Den Abend verbringen wir nach dem Pilgermenü über der Bar, direkt in selbiger bei Wein und irgendeinem spanischen Fusel, den der besagte Wirt uns immer wieder ausgibt. Bei uns sitzt ein Schweizer, der bei sich zu Hause gestartet und bis hier bereits über 1.600 km gelaufen ist. Und wenn alles gut geht, will er von Finisterre auch wieder zurücklaufen. Wir führen alle sehr angeregte Gespräche. Buchstäblich über Gott und die Welt. Im Laufe des Abends treffen immer mehr Dorfeinwohner zwischen 7 und 70 ein, und nach einiger Zeit fallen die Hemmschwellen, und sie fangen an zu tanzen. Es dauert nicht lange, da werden auch wir aufgefordert.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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