Camino Nordfrankreich (Tag 25)

 

Cluny → Tramayes


 → 22 Kilometer
↑ 438 Meter

Dienstag, der 07.08.2012

 

Bourgvilain
Bourgvilain

Die Frau, die hier in der Herberge das Frühstück betreut, fragt mich, ob ich mich zu dem Herrn dazusetzen oder einen Tisch für mich haben möchte.
Da ich heute noch lang genug allein sein werde, entscheide ich mich für die gesellige Variante. Dummerweise ist an meinem deutschsprachigen Gegenüber ein Comedian verloren gegangen – zumindest ist er davon offenbar überzeugt!
Ich kann nicht einen Satz sagen, ohne, dass er etwas “Witziges” daraus macht. Zum Glück muss er noch vor mir aufbrechen, und ich sitze noch eine Weile alleine da – mit meinem Weißbrot und der Marmelade.
Bevor ich die Stadt verlasse, besorge ich mir noch ein bisschen Verpflegung in einem Casino sowie einer Boulangerie. Danach starte ich in einen Tag, dessen Ziel noch nicht definiert ist.
Unterwegs stellt sich heraus, dass ich mir den heutigen Proviant fast hätte sparen können, denn die Wegränder sind gesäumt von Unmengen an reifen Brombeeren!
Gegen Mittag habe ich gut 15 km hinter mir und erreiche den mit 565 Metern höchsten Punkt der heutigen recht bergigen Tour. Von hier an führt der Weg erst einmal über einige Bergrücken und es bieten sich dementsprechend herrliche Aussichten in die weite Landschaft. Irgendwann wird der durch dornige Hecken begrenzte Weg so schmal, dass ein plötzlich entgegenkommender Sandlader mir keine andere Wahl lässt, als wieder ein ganzes Ende zurückzulaufen, bis ich endlich eine Stelle finde, an der ich ihn vorbeilassen kann.

Tramayes
Tramayes

Kurz nach 14:00 Uhr erblicke ich bereits vor mir im Tal Tramayes, den Ort, von dem ich hoffe, dort eventuell für heute Station machen zu können. Fast zeitgleich entdecke ich rechts vom Weg ein Paar um die 60, dass ihr auf der Wiese eine Pause eingelegt hat. Es stellt sich heraus, dass sie ebenfalls deutsche Pilger sind. Sie erzählen mir, dass ich der erste “Artgenosse” sei, den sie auf ihrem bisherigen Weg getroffen haben. Das ist umso erstaunlicher, als dass sie ihren Weg bereits an der deutschen Ostseeküste gestartet haben!!!
Das mit den spartanischen Begegnungen werden sie aber auch noch anders erleben, denn sie wollen noch bis Santiago laufen.
Ich frage sie aus persönlichem Interesse, wie sie denn den deutschen Abschnitt erlebt hätten. Sie erzählen mir, dass die gesamte Strecke völlig unproblematisch war, und sie überall unkompliziert und freundlich aufgenommen wurden. Sehr gut! Das bestärkt mich doch in meinen Plänen fürs nächste Jahr…!
Während die Beiden noch ein wenig hier bleiben, ziehe ich weiter runter in den Ort. Eventuell trifft man sich dort ja nachher noch mal wieder. Ich steuere als Erstes das Office de Tourisme an (→ SV). Ein Schild in der Tür verrät mir, dass ich hier um 15:00 Uhr, also in gut einer halben Stunde, wieder jemanden antreffen werde. Außerdem entdecke ich an der Tür einen Hinweis auf eine sich hier im Ort befindende Pilgerherberge.
Zur Überbrückung der Zeit habe ich mal eine ganz außergewöhnliche Idee:
Ich suche ein nett gelegenes Café auf.
Es stellt sich heraus, dass die Herberge sogar mit dem Office zusammenhängt. Und so schnappt sich die freundliche Dame, die nur wenige Worte Englisch spricht, einen Schlüssel und begleitet mich kurzerhand zu einem Gebäude, das sich nur 2, 3 Straßen weiter befindet. Sie übergibt mir den Schlüssel und überlässt mich dann erst einmal meinem neuen Domizil. Später soll ich noch einmal im Office vorbeischauen, weil sie mir eventuell auch eine Herberge für morgen organisieren kann. Der Raum ist einfach eingerichtet, hat aber alles, was man braucht. Nur die Dusche funktioniert aktuell leider nicht. Da es heute aber kein so heißer Tag war, sollte das zu verschmerzen sein. Außerdem ist das Ganze hier mal wieder auf Spendenbasis, da schaut man dann ja eh nicht so genau hin.
Leider scheitert später auch der zweite Versuch der Dame im Office, jemanden in der nächsten Herberge zu erreichen. Aber sie bietet mir an, dass wir es morgen früh noch einmal versuchen. Als ich sie nach einem freien WLAN-Zugang frage, meint sie zwar, dass es hier im Ort wohl keinen gäbe. Aber ich könnte gern ihren Computer benutzen, sie geht dann so lange eine rauchen. Ich checke kurz meinen Maileingang, und besorge mir anschließend noch eine Dose Essen und zwei Dosen Bier für heute Abend. Da man von meinem Fenster aus einen schönen Blick über den Ort hat und der Abend angenehm lau ist, setze ich mich mit einer der Dosen auf die Fensterbank und beschließe diesen Tag.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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