Camino Nordfrankreich (Tag 30)

 

Pouilly-Sous-Charlieu → Saint-Haon-le-Châtel


 → 28 Kilometer
↑ 186 Meter

Sonntag, der 12.08.2012

 

am Kloster La Bénisson-Dieu
am Kloster La Bénisson-Dieu

Auch heute starten Michaela und ich nach einem typisch französischen Frühstück in der Herberge in die heutige Etappe. Natürlich ist es nach so vielen Tagen, an denen ich allein unterwegs war, eine willkommene Abwechslung, mal wieder in Gesellschaft zu sein. Aber auch, wenn Michaela in etwa so alt ist wie ich, so trennen uns doch die eine oder andere Welt. Nun würde ich mich auch nicht unbedingt als bunten Hund bezeichnen, aber sie ist doch etwas sehr farblos. Außerdem ist sie für meinen Geschmack auch etwas zu rücksichtsvoll: Das sie bei jedem Foto, das ich mache, direkt mit stehen bleibt und wartet, ist ja durchaus nachvollziehbar – wenngleich nicht nötig. Aber, dass sie dies auch jedes Mal tut, wenn ich mal kurz austrete, finde ich dann doch ein bisschen zu viel des buchstäblich Guten! Von daher sage ich ihr – beim nächsten Foto… – dass sie gern einfach weiter gehen kann, weil es ja sonst doch etwas lästig für sie sein dürfte, ich würde sie schon direkt wieder einholen.
Aber ausgerechnet beim heutigen Highlight des Tages, Brombeersträucher mit riesigen, reifen Früchten, hat sie kein Interesse und zieht weiter, während ich mir erstmal den Bauch vollschlage.
Nach einiger Zeit sehe ich Michaela am Wegesrand sitzen, wo sie offenbar gerade eine Zigarettenpause macht. Wir tauschen uns kurz aus und beschließen, dass wir uns im nächsten Ort im Café treffen. Ich kann ihr dort schon mal einen Café mit bestellen.
Der nächste Ort stellt sich allerdings als wesentlich verschlafener heraus, als wir es so vermutet haben. Trotzdem finde ich doch noch eine kleine Bar und bestelle mir erst mal nur mir einen Café. Und tatsächlich trifft Michaela erst gute 30 Minuten später ein, als die Bar schon längst geschlossen hat.

Saint-Haon-le-Châtel
Saint-Haon-le-Châtel

Um Punkt 16:00 Uhr erreichen wir Saint-Haon-le-Châtel, unseren Zielort, und erleben direkt einen Kulturschock im wahrsten Sinne des Wortes: Das kleine Städtchen wird heute komplett von einem Mittelalterfest in Beschlag genommen. Die kleinen Straßen und Plätze sind so belebt, dass ich Michaela relativ schnell aus den Augen verliere. Aber da wir ja eh für heute in der selben Herberge unterkommen wollen, mache ich mich direkt auf die Suche nach der Unterkunft. Ich frage ein paar Passanten nach der Gîte Communal. Die sind sich nicht so ganz sicher und rufen offenbar Bekannte herbei, und es entsteht eine Dynamik, die darin mündet, dass sich eine der Damen meiner annimmt, sich noch mal kurz in einem Restaurant schlau macht und mich dann direkt zu meinem Ziel führt. Dort übergibt sie mich wiederum zwei anderen Frauen, die mich herzlich willkommen heißen.
Nach einer kurzen Dusche suche ich noch mal ein sehr idyllisch gelegenes Café am Rande dieser kleinen Altstadt auf und trinke ein Bier. Michaela ist bislang noch nicht wieder aufgetaucht.
Wieder zurück in der Herberge beziehe ich eines von 8 Betten, nachdem ich den Raum noch mal gewechselt habe. In das ursprüngliche 4-Bett-Zimmer wollte ein Paar, dass ich heute schon eins, zweimal getroffen habe, mit dem Argument, dass der Mann sehr schnarchen würde. Die Beiden erzählen mir nebenbei, dass sie Michaela im Office gesehen hätten und sie offenbar noch bis zum nächsten Ort weitergezogen ist.

abseits vom Festtrubel
abseits vom Festtrubel

Zwischendurch spricht mich plötzlich eine Frau an und fragt, ob ich für morgen schon eine Unterkunft hätte. Ich muss dies leider verneinen. Daraufhin bietet sie mir an, dass ich bei ihr unterkommen könne, und drückt mir ihre Visitenkarte in die Hand. Sie ist offenbar eine der Gauklerinnen von diesem Mittelaltermarkt. Ich nehme das Angebot dankend an und freue mich, dass das nächste Ziel mir buchstäblich einfach so in die Hände gefallen ist.
Ein nicht ganz unwesentliches Problem habe ich allerdings noch: Meine Verpflegung ist komplett aufgebraucht, und ich habe hier noch keine Einkaufsmöglichkeit entdeckt!
Ich versuche, dieses Defizit zumindest für heute Abend zu lösen, indem ich nochmal die Bar von heute Nachmittag aufsuche. Aber diese hat leider inzwischen geschlossen. Von der Herberge bekomme ich dann den Tipp, dass die Boulangerie/Patisserie um die Ecke eventuell etwas hat. Also setze ich mich davor, bestelle mir ein Bier und frage nach einem belegten Baguette. Die Dame meint, dass sie damit nicht dienen könne, aber etwas Ähnliches habe. Und so bekomme ich ein recht großes, schwer definierbares Gepäckstück. Als ich dieses gegessen habe und einigermaßen satt bin, kommt die Bedienung wieder zu mir und fragte mich, ob ich Pilger sei.
„Ja!?“
In dem Fall gäbe es nebenan auch noch die Möglichkeit ein Pilgermenü zu bekommen. Das ist zwar ein sehr guter Hinweis, aber leider nicht mehr nötig.
Die anderen 7 Betten in meinem Raum werden weiterhin nur von 2 Musikern belegt, die offenbar hier auf dem Fest aufgetreten sind.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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