Camino Nordfrankreich (Tag 33)

 

Pommiers-en-Forez → Champdieu


 → 34 Kilometer
↑ 141 Meter

Mittwoch, der 15.08.2012

 

Pommiers-en-Forez
Pommiers-en-Forez

Noch während ich am Frühstückstisch sitze, höre ich plötzlich vertraute Stimmen draußen von dem kleinen Platz. Und da ich am Fenster sitze, sehe ich auch direkt das französische Paar, das sich offenbar bereits wieder auf dem Weg befindet. Ich stehe auf, öffne das Fenster und begrüße die Beiden. Sie sind überrascht, mich an so prominenter Stelle zu sehen, und fragen mich, ob ich jetzt hier der Bürgermeister sei. Wir unterhalten uns kurz, und dann komme ich auf die Idee, die Zwei mal zu bitten, zu prüfen, ob das Garagentor rechts unter mir zufällig geöffnet sei. Denn immerhin soll ich dort ja gleich den Schlüssel wieder hinterlegen. Aber das Tor ist verschlossen. In dem Augenblick kommt ein älterer Herr aus einer Tür daneben, weil er offenbar zufällig gerade etwas aus der Garage holen möchte. Das Paar spricht ihn an und erklärt ihm die Sache mit dem Schlüssel. Aber es stellt sich schnell heraus, dass er nichts davon weiß. Außerdem scheint er auch nicht so ganz zurechnungsfähig zu sein, was mir ihre vielsagenden Blicke verraten. Nachdem die Beiden es geschafft haben, sich von seinen offenbar wirren Ausführungen zu lösen, ziehen sie weiter.
Na toll! Das klappt ja hervorragend! Dann muss ich es wohl gleich mal bei der Klosterkasse versuchen.
Also packe ich meine Sachen und verlasse diese in Punkto Ausstattung und Lage wirklich sensationelle Unterkunft. Und als ich noch mal um das Gebäude herum zum Garagentor gehe, stellt sich heraus, dass es jetzt nicht mehr verschlossen ist. Also deponiere ich schnell den Schlüssel und mache mich ebenfalls wieder auf den Weg. Wäre ich, wie sonst üblich, früher aufgebrochen, hätte ich erst mal ein kleines Problem gehabt. Denn auch das Office ist aktuell verriegelt und verrammelt.
Nachdem ich mich ja gestern endlich mal wieder in einem Supermarkt eindecken konnte, bin ich jetzt zwar ganz gut versorgt, allerdings hält sich mein Wasservorrat aus Gewichtsgründen trotzdem in Grenzen. Das harmoniert allerdings mal wieder so gar nicht mit den weiterhin ziemlich hohen Temperaturen und der Tatsache, dass heute schon wieder ein Feiertag ist. Und so passiere ich eine Ortschaft nach der anderen, ohne eine wirkliche Chance auf Einkehr. Aber irgendwann entdecke ich dann bei einem Sportplatz eine angelehnte Holztür, hinter der sich eine öffentliche Toilette verbirgt und ich kann meine Wasserflasche endlich auffüllen!
Auf einem der zahlreichen Hügel befindet sich ein ehemaliges Kloster, das zugleich eine Gîte sein soll und somit auch mein heutiges Ziel sein könnte. Das Einzige, was ich hier aber im Augenblick vorfinde, ist eine kleine Galerie, in der eine ältere Dame sitzt, die gerade telefoniert (→ SV). Nachdem sie aufgelegt hat, frage ich sie nach der Unterkunft. Daraufhin greift sie wieder zum Hörer und wählt eine Nummer. Es klingelt in den Räumlichkeiten nebenan. Aber es geht keiner ran. Sie erzählt mir etwas auf Französisch, woraufhin ich sie frage, ob sie auch Englisch sprechen würde. Sie bestätigt das und setzt ihre Ausführungen direkt auf Französisch fort. Trotzdem verstehe ich zumindest so viel, dass sie mit der Unterkunft selbst nichts zu tun hat. Sie greift wiederholt zum Telefon und versucht, eine andere Unterkunft zu erreichen. Leider ebenfalls ohne Erfolg. Da ich zwischenzeitlich gesehen habe, dass es sich beim nächsten Etappenziel um eine größere Stadt handelt und diese auch nur noch 17 km entfernt ist, sage ich ihr, dass das kein Problem sei, und will wieder aufbrechen. In dem Augenblick betreten 2 weitere ältere Damen die Räumlichkeiten. Als sie mich sehen und als Pilger erkennen, entfacht sofort unter allen 3 Frauen ein Gespräch, bei dem es wieder darum geht, eine Lösung für meine nächste Unterkunft zu finden. Es gelingt mir weiterhin nicht, zu erklären, dass alles gut sei und ich klar käme, obgleich ich es sogar auf Französisch versucht habe. Und während die Galeristin erneut herumtelefoniert, redet die eine der anderen beiden fast beschwichtigend auf mich ein. Warum gelingt es mir nicht, ihnen begreiflich zu machen, dass alles okt ist und ich einfach nur weiterziehen möchte.
Dann scheinen sie etwas gefunden zu haben, und deuten an, dass wir da nun hinfahren können. Ich bin fast der Verzweiflung nahe. Wenigstens gelingt es mir, Ihnen zu erklären, dass ich gerne laufen möchte. Zumal das, was sie da jetzt für mich gefunden haben, sogar noch vor dem nächsten Etappenziel liegt. Sie sind zwar etwas perplex, dass ich auf das Auto verzichten möchte, lassen mich dann aber doch endlich ziehen. So unglaublich nett und hilfsbereit, diese ganze Aktion auch war, ich wünschte fast, ich hätte nicht gefragt – zumal ich jetzt auf eine Unterkunft festgelegt bin, weil ich dort erwartet werde. Ich hoffe, ich finde sie.

bei Saint-Paul-d'Uzore
bei Saint-Paul-d’Uzore

Als ich meinen wahrscheinlichen in Zielort erreiche, frage ich noch mal eine Gruppe von Leuten, ob sie mir sagen können, wo ich die mir aufgeschriebene Adresse finde. In dem Augenblick hält ein Auto neben uns an und eine ältere Dame fragt mich auf Französisch, ob ich der deutsche Pilger sei. Nachdem ich ihr das etwas überrascht bestätigt habe, will auch sie mich wieder mit dem Wagen mitnehmen. Da sich Fahren aber einfach komisch anfühlt. Lehne ich abermals dankend ab. Das Angebot, meinen Rucksack schon mal mitzunehmen, schlage ich dann schon fast aus Höflichkeit nicht aus. Dann fährt sie schon mal vor. Ein junger Mann aus der Gruppe begleitet mich noch 1, 2 Straßen und interviewt mich währenddessen zum Camino. Unter anderem fragt er mich, ob ich die Frau von eben kennen würde. Und er kann gar nicht glauben, dass ich da jetzt einfach so übernachten würde.
Kurze Zeit, nachdem er mir den restlichen Weg gewiesen hat, kommt mir auch schon wieder meine Gastgeberin auf einem Fahrrad entgegen und begleitet mich final zu ihrem Haus.
Dort angekommen, zeigt sie mir zunächst mein Zimmer sowie die Dusche und bietet mir an, dass ich, wenn ich wolle, gleich auch noch den Swimmingpool im Garten nutzen könne, was ich auch tatsächlich annehme.
Ebenfalls nehme ich das Angebot an, dass meine Wäsche hier mal ein paar Runden in der Waschmaschine fahren darf.
Noch während ich meine Runden durch den Swimmingpool drehe, brauen sich über mir tiefschwarze Gewitterwolken zusammen, die sich schon angedeutet haben, als ich noch unterwegs war. Und gerade, als ich den den Pool verlasse, beginnt es zu schütten!
Meine Gastgeber stellen sich als äußerst herzlich und interessiert heraus. Und damit das mit der Kommunikation klappt, arbeiten sie mit einem Englisch-Wörterbuch oder schreiben mir französische Begriffe auf einen Zettel, damit ich diese dann in meinen Übersetzer eingeben kann. Es gibt ein sehr gutes und umfangreiches Abendessen und im Laufe des Abends schalten sie mir auch noch ein deutsches Fernsehprogramm ein, obgleich ich ihnen versichere, dass das wirklich nicht nötig sei.
Gegen 21:00 Uhr ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück und lausche dem weiterhin massiven Prasselgeräusch von draußen.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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