Camino via Podiensis (Tag 21)

 

Saint-Antoine → Lectoure


 → 24 Kilometer
↑ 127 Meter

Dienstag, der 27.07.2010

 

Sonnenblumen soweit das Auge reicht
Sonnenblumen soweit das Auge reicht

Es ist inzwischen nach 9:00 Uhr, als Steffi und ich die Herberge als die Letzten verlassen. Es ist niemand mehr da. Selbst Andreas hat heute gar nicht erst auf uns gewartet. Dementsprechend nehmen wir unser Frühstück heute zu zweit noch im Café des Ortes zu uns. Heute bekommen wir auch endlich mal wieder das Sandwich direkt dazu.
Erst gegen 10:30 Uhr machen auch wir uns auf den Weg. Das Wetter hat sich weiterhin gebessert. Inzwischen ist keine Wolke mehr am Himmel.
Gute 14 Tage liegen jetzt noch vor mir, und ich habe ausgerechnet, dass ich schätzungsweise 3 Tage Puffer haben werde. Von daher reizt mich doch ein wenig der Gedanke, nach St. Jean-Pied-de-Port noch ein wenig weiter zu laufen. Eventuell sogar bis Pamplona, um damit noch mal sozusagen auf den alten Pfaden des ersten Caminos zu wandeln. Mal sehen. Das schöne am Camino ist ja, dass man solche Dinge immer spontan entscheiden kann.
Jetzt entscheiden wir erst mal, uns an einem sehr einladenden Pilgerrastplatz niederzulassen. Er liegt an einem seichten Hang mit weitem Ausblick auf einen nahe gelegen See sowie das Umland. Außerdem stehen hier Wasser, Kaffee und einige Tomaten bereit. Wir genießen diesen Ort, die Stille und das sommerliche Wetter.
Nur wenige Kilometer weiter kommen wir in ein etwas größeres Dorf mit kleinem Supermarkt. Dort besorgen wir uns eine sehr ausgewogene Pausenverpflegung: je eine Banane und eine Dose Bier. Dieses reichhaltige Mahl nehmen wir nur zwei Gassen weiter im Schatten eines historischen Marktdaches zu uns. Da es früher Nachmittag und heute kein Markt ist, wirkt alles fast wie ausgestorben.
Man kann wirklich nicht sagen, dass wir uns hetzen. Aber als wir uns nach dieser sehr ausgedehnten Pause wieder auf den Weg machen, sitzen da auch noch all die Pilger, die wir schon beim Eintreffen in den Ort vor der Kirche im Schatten sitzen sahen.
So wie die Sonne heute vom Himmel brennt ist das aber auch das einzig richtige Verhalten. Und so legen wir die noch verbleibenden 10 km nicht gerade im Eiltempo zurück. Die Hitze ist allerdings nicht das einzige Argument, sich Zeit zu lassen. Es gilt auch die Landschaft in vollen Zügen zu genießen. Obgleich das Sonnenblumenfeld-Inferno, durch das wir laufen, durchaus die Gefahr einer Sinnesüberreizung mit sich bringt. Manchmal sehe ich für einige Zeit alles nur noch komplementär zu gelb…

Wegweiser
Wegweiser

An einem weiteren idyllischen Ort, lassen wir uns im Schatten von Bäumen im hohen Gras nieder. Auf der gegenüberliegenden Seite des Weges zieht ein Fluss seine Bahnen, und direkt neben uns steht ein Traktor. Irgendwann komme ich auf die Idee, mal zu gucken, ob das Führerhaus vielleicht offen ist. Es ist. Und nicht nur das: Auch der Schlüssel steckt noch. Natürlich kann ich der Versuchung nicht widerstehen und das Gefährt schüttelt sich ein paar mal und knattert dann vor sich hin. „Hmm, wenn wir wollten könnten wir jetzt ins Ziel FAHREN.“ Aber da das ja tabu ist, drehe ich den Schlüssel wieder in die Gegenrichtung. Aber leider nagelt der Motor weiter munter vor sich hin. Ups! Wie schaltet man so eine Kiste denn wieder ab? Ich beginne diverse Knöpfe und Hebel zu drücken und zu drehen. Ich kann das Ding doch nicht einfach laufen lassen! Dann erwische ich endlich den richtigen Schalter und verlasse die Fahrerkabine wieder.
Zu fortgeschrittener Stunde erblicken wir die Silhouette unseres, oder zumindest meines Zielortes. Allerdings laufen wir eine ganze Zeit eher drum herum als auf ihn zu. Doch irgendwann betreten wir endlich das Zentrum dieser abermals historischen Stadt. Auf dem Platz vor der Kathedrale erwartet uns bereits Andreas. Er informiert uns darüber, dass die nur wenige Meter entfernte Spendenherberge noch einige Betten frei hat. Trotzdem ist es nicht zwingend sein Plan, hier für die heutige Nacht Station zu machen. Von daher fragt er Steffi nach ihrem Vorhaben. Kurz darauf checken wir zu dritt in der gegenüber liegenden Herberge ein (→ SV). Das Haus verfügt über 12 Betten, von denen wir welche in einem 4-Bett-Zimmer bekommen. Wir duschen, und danach zieht Andreas mit Steffi noch mal kurz los, in der Hoffnung für sie Einlegesolen zu bekommen. Leider ohne Erfolg.
Beim gemeinsamen Abendessen mit allen Gästen und dem Pastor macht letzterer sich einen Spaß daraus, die Namen aller 8 Teilnehmer auswendig zu lernen. Mit beachtlich schnellem Erfolg. Immerhin dürfte er bereits so um die 80 sein. Und wir haben ja auch nicht gerade alle französische Namen. Immer wieder beginnt er aufs Neue unsere Namen aufzuzählen. Aber auch ansonsten ist er eine sehr redselige, lebhafte Person. Kurz: Ein liebenswertes Original. Ebenfalls liebevoll ist der Umfang des Essens. Es gibt Salat, Nudeln mit Käse sowie ein Geflügelgericht. Für Steffi wird ein Omelette klargemacht, da sie Vegetarierin ist. Dazu bekommen wir obligatorisch Wasser und Wein. Und das alles ohne, dass der Nachschub gestoppt wird. Als dann auch noch ein Nachtisch folgt, drohen wir alle fast zu platzen. Spendenherbergen sind nach wie vor ungeschlagen! Das gilt vor allem für die Geselligkeit. Dementsprechend wird auch gemeinsam abgewaschen.
Während Andreas sich anschließend aufs Zimmer zurückzieht, sitzen Steffi und ich draußen vor der Tür. Wir beschließen, noch eine Runde durch den Ort zu drehen. Ich laufe noch mal hoch zu Andreas um ihn zu fragen, ob er mitkommen möchte. Aber er liegt bereits im Bett und hat kein Interesse.
Wie schon Coudougné liegt auch Lectoure auf einem Hügel. Und so haben wir ein unglaubliches Panorama auf das weite Umland, als wir den Ortsrand erreichen. Wir setzen uns auf eine Parkbank außerhalb der Stadtmauer und erleben einen netten Sonnenuntergang. Wir unterhalten uns über alles Mögliche. irgendwann fällt uns plötzlich ein, dass wir ja heute nicht grenzenlos Zeit haben. Um 22:00 Uhr müssen wir zurück zu sein. Wir gucken auf die Uhr und es ist: 22:10 Uhr! Etwas außer Atem erreichen wir unser Domizil. Davor sitzen auf der Treppe der Herbergsvater mit seiner Mitarbeiterin. Wir bitten vielmals um Entschuldigung, aber die beiden versichern uns, dass das kein Problem sei.
Als wir unser Zimmer betreten, ist das Licht bereits aus und von Andreas kein Lebenszeichen.

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(über die Sitemap lassen sich die Tage gezielt aufrufen)

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